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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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dafür, dass Yonathan ihn erst so spät bemerkt hatte.
    Nicht nur die ausgefallene »Bekleidung« des freundlichen Behmischs erweckte Yonathans Interesse, auch seine Gliedmaßen waren äußerst merkwürdig. Seine lang herabbaumelnden Arme liefen auf Kniehöhe in feingliedrige Hände mit je sechs Fingern aus, von denen zwei die Aufgaben eines Daumens erfüllten. Die Füße waren ähnlich geformt. Während Din-Mikkith sich lächelnd Yonathans Bettkante näherte, sah dieser, dass ihr Gastgeber seine Arme ganz nach Bedarf an jeder Stelle biegen konnte. Der kahle Kopf des Behmisch erschien fast menschlich, wenn man von den fehlenden Ohren und der winzigen Nase absah. Seine dunkelgrünen Augen sahen sogar sehr freundlich aus. Die Gesichtszüge Din-Mikkiths waren allerdings sehr schwer zu deuten.
    Alles in allem stellte sich Yonathans und Yomis Retter also durchaus als eine Person vor, bei der es sich lohnte zweimal hinzuschauen.
    »Din-Mikkith, das ist mein Name«, antwortete der Behmisch inzwischen auf Yonathans Frage. Gleichzeitig reichte er dem Knaben eine sechsfingrige Hand – und lächelte.
    Es fiel Yonathan zwar noch nicht leicht seinem Gastgeber unbefangen gegenüberzutreten, doch er reichte ihm die Hand und ließ das neuartige Händedruckgefühl, das durch zwei Daumen verursacht wurde, auf sich wirken.
    »Ich glaube, ich muss etwas richtig stellen. Ihr habt mich eben Geschan genannt.«
    »Ja, natürlich!«
    »Mein Name ist Yonathan, nicht Geschan.«
    Eine kurze Pause trat ein. Din-Mikkith schien noch mehr zu lächeln als zuvor, geradezu spitzbübisch. »Aber Ihr tragt doch den Stab der Richter Neschans. Dann müsst Ihr Geschan sein.« Erst jetzt wurde Yonathan so richtig bewusst, wovon sein grüner Retter sprach. Unsicher schickte er seine Hand auf die Suche nach Haschevet, ohne dabei den Blick von Din-Mikkith zu wenden. Beruhigt atmete er auf, als er unter der Decke fündig wurde und sich seine Finger um den Stab schlossen.
    Haschevet war also ebenfalls gerettet! Ehe Yonathan näher darüber nachdenken konnte, wie der Stab hierher gelangt war, drängte sich eine andere Frage hervor. »Woher kennt Ihr Euch so genau mit Haschevet aus?«
    Din-Mikkith zuckte mit den Schultern, was aussah, als laufe eine Welle vom Halsansatz beide Arme hinunter bis in die zwölf Fingerspitzen. »Goel hat gesagt: ›Niemand kann Haschevet berühren als nur die Richter Neschans.‹«
    Yonathan räusperte sich. »Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine solche Stelle im Sepher Schophetim gelesen zu haben.«
    »Leider habe ich das Buch der Richter Neschans nie besessen, noch es je gelesen«, bedauerte Din-Mikkith. »Aber als Goel mich vor Haschevet warnte, klang es trotzdem sehr überzeugend.«
    Yonathan stockte der Atem. »Habt Ihr gerade gesagt, Goel hätte Euch gewarnt?«
    »Ja, warum nicht?«
    »Aber… dann müsstet Ihr ja… mehr als zweihundert Jahre alt sein«, stotterte Yonathan. »So lange hat Goel nämlich den Garten der Weisheit nicht mehr verlassen.«
    Din-Mikkith schaute nachdenklich. »Ja, das könnte schon hinkommen«, bestätigte er und fügte hinzu: »Ich habe seit langem aufgehört die Jahre zu zählen.«
    »Das gibt es doch nicht«, rief Yomi dazwischen. »So alt wird doch kein Mensch.«
    Din-Mikkith kicherte, was sich anhörte, als entwiche Dampf aus einem Kochtopf. »Ihr habt wohl vergessen, dass ich kein Mensch bin. Ich bin ein Behmisch. Für uns ist ein solches Alter nichts Besonderes.«
    Yomi sah das ein. Er hüllte sich von nun an in Schweigen und betrachtete mit Interesse die Ritzen im geflochtenen Fußboden. Dabei bemerkte er, dass die unregelmäßige Färbung von Din-Mikkiths Füßen Ähnlichkeit mit diesem Muster besaß.
    »Entschuldigt«, sagte Yonathan. »Für uns beide ist die Begegnung mit einem Behmisch etwas ganz Neues.«
    »Schon gut«, entgegnete Din-Mikkith, wohl wieder lächelnd. »Aber ich verstehe gar nicht, warum ihr euch darüber so wundert. Eure Träumer werden ebenfalls Hunderte von Jahren alt. Goel muss inzwischen sogar weit über neunhundert sein.«
    Yonathan kannte die Erzählungen über das sagenhafte Alter der Richter Neschans, auch wenn er nicht wusste, warum Din-Mikktih von ihnen als von Träumern sprach. Im Augenblick jedoch beschäftigten ihn andere Dinge mehr. Die erste Begegnung mit einem Behmisch brachte eine Flut von neuen Eindrücken mit sich und er würde lange Zeit brauchen sie zu begreifen. Ein Punkt allerdings bereitete ihm Unbehagen.
    »Ich bin nur ein Junge und Ihr

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