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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Fackeln verfolgt? Ja, natürlich, so war es gewesen! Aber er hatte ja Schutz gefunden, Schutz in dem wandernden Sumpf, den er erst so voller Misstrauen betrachtet hatte. Dieses Misstrauen war unbegründet gewesen. Schließlich hatten ihn die grünen Nebelschwaden vor den Blicken der Häscher verborgen. Der Sumpf und der Nebel – sie waren seine Retter. Wie geborgen hatte er sich doch gefühlt, als er dort sein Haupt niederlegen konnte!
    Erst jetzt bemerkte Yonathan, dass über seiner Erinnerung das Bild des einsamen Schafhirten verloren gegangen war. So sehr er es sich auch zurückwünschte, es blieb verschwunden. Enttäuscht schlug er die Augen auf.
    »Yonathan!«, schrie in diesem Augenblick jemand voller Freude. »Du bist wieder wach! Ich bin’s, Yo, dein Freund.« Er fuchtelte mit den Händen vor Yonathans Gesicht herum. »Erkennst du mich nicht? Oh, du siehst noch ziemlich grün im Gesicht aus. Dir geht’s wohl noch ungeheuer schlecht, oder?«
    Yonathan schloss erschrocken wieder die Augen. War das ein Traum? Das war doch sein sonst so ruhiger Freund, der diesen Sturzbach von Worten hatte hervorsprudeln lassen. Es war jedenfalls nicht der Hirte mit der Flöte.
    Vorsichtig öffnete Yonathan abermals die Lider. Kein Zweifel: Das halb braune, halb blassweiße Gesicht, das ihn da, den Freudentränen nah, anstrahlte, gehörte Yo. »Warum sollte ich dich nicht erkennen?«, gab Yonathan zurück, enttäuscht darüber, dass das friedliche Bild des Hirten und seiner Schafe nun wohl endgültig verscheucht war. »Meinst du, ich wäre blind oder blöde?«
    Yomi fuhr erschrocken zurück. Viele Stunden hatte er an Yonathans Bett zugebracht und voller Bangen darauf geharrt, ob und in welchem Zustand sein kleiner Freund erwachen würde – doch dass der ihn unfreundlich anfahren würde, damit hatte er nicht gerechnet. »Das finde ich ziemlich ungerecht.«
    Doch Yonathan hörte das nicht mehr. Er hatte nun seine Umgebung wahrgenommen. Sein Blick schweifte durch den Raum, in dem sie sich befanden. »Wo sind wir hier?«, fragte er verwundert.
    Eingeschnappt, sorgfältig auf jedes seiner Worte achtend, erwiderte Yomi: »Im… Haus… unseres Retters.«
    »Unseres Retters?«
    »Sein Name lautet Din-Mikkith.«
    »Din-Mikkith?«
    »Der Grüne Nebel scheint dir auf die Ohren geschlagen zu sein.« Solche schnippischen Bemerkungen entsprachen nicht Yomis gutmütiger Natur, aber nachdem er so lange um die Gesundheit seines Freundes hatte bangen müssen, konnte er die raue Begrüßung nur schwer verdauen. Er tröstete sich mit der Feststellung: »Aber was wundere ich mich? Schließlich hatte Din-Mikkith mich ja gewarnt, dass es eine ziemliche Weile dauern könnte, bis du wieder völlig normal wärest. Dass es allerdings so schlimm…«
    »Nicht völlig normal?«, unterbrach Yonathan ihn. »Aber ich bin ganz und gar normal!«
    »Ach.« Yomi hatte die Arme über der Brust verschränkt und ließ seinen Blick teilnahmslos in die Ferne schweifen.
    »Was soll das heißen: ›Ach‹?«
    »Erst schläfst du vier Tage lang wie ein Toter und überlässt deine Freunde rücksichtslos der Ungewissheit, ob sie dich jemals wieder als normalen Menschen erleben werden, und dann wachst du auf und knurrst deine Retter an in einer ungeheuer miesen Laune.« Während seines Vortrages heftete Yomi seinen wütenden Blick auf den immer weiter in sich zusammensackenden Kranken. Jetzt schaute er wieder in die Ferne.
    »Habe ich das wirklich?«, fragte Yonathan etwas kleinlaut. »Ich meine: vier Tage geschlafen, euch Sorgen bereitet und miese Laune gehabt?«
    »Allerdings.« Yomis Stimme hatte etwas an Schärfe verloren.
    Yonathan schluckte zweimal. »Es tut mir Leid, Yo. Ich hatte einen Traum, der mich so gefangen nahm, dass ich am liebsten nie mehr erwacht wäre. Kannst du mir noch mal verzeihen?«
    Yomis Ärger schmolz nun endgültig dahin. Er drehte sich zu Yonathan um und schaute ihn an. »Schwamm drüber, Yonathan. Wir haben uns wohl beide ungeheuer dumm benommen.«
    Sie lächelten und Yonathan bemerkte: »Das alles hat mich anscheinend ziemlich mitgenommen – um mit deinen Worten zu sprechen.«
    Yomi lachte. Damit war das Thema erledigt. Eine Weile saßen die beiden Freunde schweigend beieinander und Yonathan konnte sich der seltsamen Umgebung zuwenden. Er befand sich in einem Zimmer, in dem es nur eine einzige Farbe gab: Grün. Zwar präsentierte sich dieses Grün in den verschiedensten Schattierungen – das Gestell seines Bettes bestand zum Beispiel aus

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