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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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hievte sich Yonathan in die Höhe und ließ seine Beine langsam zu ihrer Pflicht zurückfinden. Als er sich etwas sicherer fühlte, steuerte er auf die Tür zu. Girith hüpfte flatternd auf den Fußboden hinab und folgte watschelnd. Als Yonathan die Matte zurückschlug, die als Tür zu seinem Krankenzimmer diente, blickte er in einen Raum, der wie sein eigener aus den Rohrrahmen dicker Bambusstangen und einem Geflecht schlanken Blattwerks bestand. Auf dem Fußboden waren die provisorischen Schlafstätten Din-Mikkiths und Yomis zu sehen. Außerdem standen ein kleiner Tisch, ein Stuhl sowie Körbe und Töpfe herum. Mitten im Raum befand sich eine Feuerstelle, die mit Erde und dünnen Steinplatten unterlegt war, um das trockene Flechtwerk vor der Hitze der Flammen zu schützen. Darüber hing ein nicht allzu großer, bauchiger Kochtopf aus Gusseisen
    – einer der ganz wenigen metallenen Gegenstände, die Yonathan entdecken konnte, und er fragte sich, wie sie wohl ihren Weg hierher gefunden hatten.
    Auf der gegenüberliegenden Seite der Raumes, der eigentlich wie sein eigenes Zimmer nur eine kleine Kammer war, entdeckte er eine weitere Tür. Diese war nicht verhangen, sondern gab den Blick auf dichtes, grünes Blattwerk frei. Wieder empfand Yonathan den Ausblick als ungewöhnlich. Er beschloss dieses Rätsel zu lösen und ging auf die Tür zu.
    Girith gab ein aufgeregtes Krächzen von sich, nicht so gut verständlich wie seine Lobgesänge auf Din-Mikkith. Yonathan erkundigte sich im Weitergehen: »Na, Rotschopf, was willst du mir denn…«
    Zu den Dingen, die Yonathan nicht ausstehen konnte, gehörten das Schrubben von Töpfen und Pfannen, das Ausnehmen toter Fische und Hühner sowie das Hängen über Abgründen und Schluchten. Und gerade damit musste er sich in diesem Augenblick beschäftigen.
    Sein Gespräch mit dem Papagei war jäh beendet worden, als sich der Boden unter seinen Füßen auflöste. In einem Reflex griff er nach irgendetwas und fasste glücklicherweise die Strickleiter, sechs oder sieben Fuß unterhalb einer kleinen Plattform, die nur eine Schwelle vor Din-Mikkiths Haustür war. Yonathans Fall war nicht tief gewesen, was ihn nur wenig tröstete, angesichts des Umstandes, dass zwischen seinen baumelnden Beinen und dem Waldboden noch gut hundert Fuß Luft klafften.
    Din-Mikkiths Heim war ein Baumhaus.
    Yonathan gönnte sich nicht die Muße über diese architektonische Leistung zu sinnieren. Mit Mühe gelang es ihm, seine Füße auf die Stege der Strickleiter zu setzen und schließlich konnte er sich über den Rand der Plattform schieben. Auf der Türschwelle erwartete ihn Girith mit einem mahnenden Blick, der besagte, dass er das Fliegen doch besser den Vögeln überlassen sollte. Yonathan nahm diesen Vorwurf hin und dankte Yehwoh, dass der Sturz so kurz gewesen war. Hätte er die Strickleiter erst später zu fassen bekommen, wären seine geschwächten Arme wohl kaum in der Lage gewesen den tödlichen Fall in die Tiefe zu verhindern.
    Auf allen vieren kroch er in das Baumhaus zurück. Erst hier fand er den Mut sich auf die zitternden Beine zu stellen, die ihn nur widerwillig zu dem kleinen Tisch neben der Feuerstelle trugen. Schwer ließ er sich in den grünen Stuhl fallen. Mit zwei Flügelschlägen schwang sich Girith auf den Tisch, sodass er Yonathan Auge in Auge gegenübersaß und krähte fröhlich: »Din-Mikkith, liebes Din-Mikkith.«
    Angesichts dieser versöhnlichen Geste entgegnete Yonathan: »Und du wolltest mich warnen, Girith. Ich hätte auf dich hören sollen.«
    Der Papagei krächzte zustimmend.
    Yonathan streichelte Giriths roten Federschopf und bemerkte: »Ich wünschte, ich könnte dich so gut verstehen wie Din-Mikkith.«
    »Din-Mikkith, liebes Din-Mikkith.«
    »Ja, ja, aber ich heiße Yonathan. Sag doch mal ›Yonathan, lieber Yonathan‹.«
    »Din-Mikkith, liebes Din-Mikkith.«
    Kurz darauf hörte Yonathan die Stimmen seiner Gefährten; sie mischten sich – erst zaghaft, dann immer deutlicher – in das Gezwitscher der Vögel und das Rauschen des Windes in den Baumkronen. Dann tauchte Yomis Kopf am unteren Ende des Türausschnitts auf.
    »Yonathan!«, rief er erfreut. »Du bist schon auf?«
    Sich nicht ganz schlüssig, wie er auf diese Frage antworten sollte, hob Yonathan lächelnd die Schultern.
    »Wie geht’s dir denn?«
    Da er entschieden hatte, die während seines kurzen Ausflugs gewonnenen Eindrücke möglichst für sich zu behalten, antwortete Yonathan: »Danke. Wenn ich nicht

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