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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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du?«
    Obwohl er äußerst freundlich und nicht zu laut sprach, zuckte das Wollknäuel zusammen, kullerte tollpatschig rückwärts auf den moosigen Waldboden und sorgte blitzartig für einen Sicherheitsabstand zwischen sich und Yonathan. Erst in dieser Entfernung getraute es sich kehrtzumachen und neugierig das große, sprechende Wesen zu beäugen.
    Dieses erwiderte den forschenden Blick schweigend, um das kleine, neugierige Wesen nicht vollends zu verscheuchen. Noch nie hatte Yonathan ein solches Tier gesehen. Aber was bedeutete das schon, hatte er in den letzten Wochen doch bereits so viele neue Erfahrungen gemacht? Das kleine Geschöpf war nicht größer als eine Faust und trug einen pelzigen, schwarz-rotbraun geringelten Schwanz – länger als das Tier selbst – mit einer schwarzen Quaste an seinem Ende. Der Kopf des kleinen Tieres war fast so groß wie der Körper, hatte eine spitze, schmale Schnauze, ein winziges Maul und einen weißgrauen Schnurrbart wie eine Katze.
    Da diese pelzige Doppelkugel sich an ihm offensichtlich nicht satt sehen konnte, beschloss Yonathan einen neuen Vorstoß zu wagen. Vorsichtig, jede hastige Bewegung vermeidend, kramte er in seiner Hosentasche nach den Überresten der süßen Nüsse, die Din-Mikkith ihm am Vortage gegeben hatte. Er zog einige zerbröckelte Nussreste hervor, pickte ein größeres Stückchen heraus und schob seine Hand langsam in Richtung des Tierchens. Das beobachtete die ganze Aktion mit Misstrauen, und bei dem Versuch, die sich nähernde Hand mit den Augen zu verfolgen, kippte es um. Mit linkischen Bewegungen setzte es sich wieder auf die Hinterbeine, um seine Beobachtungen fortzusetzen.
    Später fragte sich Yonathan, ob dieses Vorgehen wohl von seinem Einfühlungsvermögen bestimmt war. Jedenfalls hatte er mit dem Angebot der Nussstückchen an zwei der größten Schwächen dieser Tierart appelliert: an die Naschsucht und an die Neugierde.
    Sobald Yonathans Hand die Leckerbissen wie auf einem Tablett präsentierte, ging ein aufgeregtes Zucken durch den kleinen Körper, begleitet von nervösem Zittern der Barthaare. Zwei, drei Schrittchen wagte sich das flauschige Wesen vor, hielt kurz inne – wahrscheinlich, um noch einmal die Risiken abzuwägen – und huschte dann flink, alle Bedenken von sich werfend, zu Yonathans Hand, um hastig nach dem Nussstückchen zu greifen und sogleich wieder den alten Sicherheitsabstand herzustellen.
    »Wie es scheint, bist du eine kleine Naschkatze, was?« Yonathan sprach leise und sanft, um das putzige Leckermaul nicht zu verschrecken. Doch das war gar nicht mehr notwendig. Abwechselnd an dem Nussstückchen knabbernd und mit schräg gelegtem Köpfchen Yonathan beobachtend, dachte das Tier anscheinend nicht mehr an einen Aufbruch.
    Beim nächsten Mal hielt sich das kleine Wesen nicht lange mit dem Abholen der Süßigkeit auf. Sofort stand es neben Yonathan, griff mit seinem feingliedrigen Händchen nach dem Leckerbissen und ließ sich viel Zeit dabei, watschelnd gerade noch die Hälfte der ursprünglichen Sicherheitsdistanz herzustellen.
    »Vielleicht habe ich mich geirrt und du bist eher eine große Naschkatze«, sagte Yonathan vergnügt.
    Nach und nach verputzte das kleine Pelztier die gesamten Nussvorräte und wurde dabei immer zutraulicher, bis es schließlich satt und zufrieden auf Yonathans ausgestreckten Beinen lag und ein Verdauungsschläfchen hielt.
    »Na, da habe ich mir ja was eingehandelt!«, murmelte Yonathan vor sich hin.
    Wenig später ertönte Yomis Stimme vom Baumhaus herab.
    Das Essen sei fertig, es gäbe etwas »ungeheuer Leckeres«, deutete er an.
    »Ich muss jetzt da hoch«, erklärte Yonathan dem pelzigen Tollpatsch, der ihn aus verschlafenen Augen musterte. »Tut mir Leid«, sagte er und setzte den Kleinen sanft auf dem Waldboden ab. »Din-Mikkith ist immer sehr ungehalten, wenn man zu spät zu seinen Mahlzeiten erscheint. Mach’s gut Kleiner, vielleicht sehen wir uns ja mal wieder.«
    Der Tollpatsch dachte gar nicht daran, sich von Yonathan zu trennen. Mit einer großer Behändigkeit kletterte das Tierchen an Yonathans Hosenbein empor und verschwand zwischen den Falten seines weiten Hemdes und der verborgenen Tasche, in der sich der Brief von Navran Yaschmon an den cedanischen Händler befand. Yonathan zuckte resigniert die Achseln. »Also gut, schließlich ist es ja völlig egal, ob wir uns jetzt oder ein wenig später Lebewohl sagen.«
    Din-Mikkiths starrer Blick schien Yonathan durchbohren zu wollen. Der

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