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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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war.
    Zahlreiche neue Eindrücke ließen den ersten Tag der Wanderschaft wie im Fluge vergehen. Obwohl Yonathan am Abend erschöpft war, glaubte er sich doch schnell wieder an das tägliche Marschieren gewöhnen zu können. Schnell sank er in einen tiefen, traumlosen Schlaf, den auch der seit Sonnenuntergang niederrieselnde Regen nicht stören konnte. Seine Entschlossenheit ließ alle Widrigkeiten verblassen und nahm ihnen die Schärfe.
    Am Morgen gab es ein warmes Frühstück, eine Suppe, die Din-Mikkith aus unterwegs gesammelten roten, schrumpligen Schoten und schwarzen Wurzeln zubereitet hatte. Obwohl Yonathan und Yomi den brodelnden Inhalt des Kochgefäßes zunächst eher skeptisch betrachteten, fasste Yomi ihre Eindrücke doch schon bald mit der Bemerkung zusammen: »Ich finde, dass der Topf ziemlich klein ist. Wir hätten einen größeren mitnehmen sollen.«
    Die im Verborgenen Land stets von grauen Wolken verdeckte Sonne hatte noch nicht ihr volles Licht entfaltet, da waren sie schon wieder unterwegs. Es regnete ununterbrochen. Die Vorstellung, es gäbe Menschen, die sich nach Regen sehnen, erschien Yonathan hier äußerst abwegig. Kurz vor Mittag kreuzten sie einen Wasserlauf, eine willkommene Gelegenheit zu rasten. Sie ließen sich nieder und verzehrten gelbe, pyramidenförmige Früchte, die Din-Mikkith auf dem Wege gepflückt hatte. Dazu gab es lauwarmes Wasser aus dem Bach.
    Als Hunger und Durst gestillt waren, meinte Yomi: »Ich muss mal dorthin, wo selbst der Kaiser von Cedan allein hingeht.«
    »Mach nicht so lange. Wir wollen heute noch ein Stückchen marschieren«, rief ihm Yonathan nach. Dann wandte er sich an Din-Mikkith; er bemühte sich die richtigen Worte zu finden. »Mir fällt auf, dass du dich sehr vorsichtig im Wald bewegst, wachsamer als auf unseren Streifzügen rund um dein Baumhaus. Hat das irgendeinen besonderen Grund?«
    »Ich bin nicht sehr oft hier. Im Regenwald gibt es viele Gefahren, da muss man wachsam sein«, antwortete Din-Mikkith.
    »Trotzdem«, beharrte Yonathan, »ich habe das Gefühl, du fürchtest etwas Bestimmtes.«
    Din-Mikkith kicherte kurz. »Das Stab verleiht dir wirklich große Macht, Yonathan. Dein Gefühl trügt dich nicht. Aber es ist nur ein Verdacht, nicht mehr. Ich möchte euch nicht beunruhigen.«
    »Ein Verdacht? Ich glaube, ich wäre viel ruhiger, wenn ich von deinen Befürchtungen wüsste, Din. So grüble ich nur unaufhörlich herum und komme doch nicht darauf, was es ist.«
    »Denk einfach nicht darüber nach, Kleines. Sollte etwas dran sein, dann werde ich es euch rechtzeitig sagen. Das verspreche ich.«
    Yonathan fiel es schwer, sich mit diesem Vorschlag anzufreunden. Auch er spürte seit Stunden eine gewisse innere Unruhe. Aber er hatte sie immer wieder beiseite geschoben. Jetzt aber waren Besorgnis und Neugierde geweckt. Er wollte noch einen Vorstoß wagen.
    »Könnte es sein, dass…«
    Weiter kam er nicht. Ein durchdringender Schrei schnitt ihm das Wort ab. Yomi!
    Im Nu waren Yonathan und Din-Mikkith auf den Beinen. Girith flatterte erschrocken auf und Gurgi verließ fluchtartig Yonathans Schulter, um sich in den schützenden Hemdfalten zu verkriechen.
    »Was ist mit ihm?«, rief Yonathan, indem er Din Mikkith hinterherstürzte. Äste schlugen ihm ins Gesicht, als er durch die Büsche hastete.
    Dann ragte vor seinen Augen ein gewaltiger Baum in dieHöhe, dessen gelbe Äste gleich Wasserfontänen aus dem dicken Stamm emporschossen, um sich dann in weitem Bogen dem Erdboden zuzuneigen. Der Baum hatte feuerrote Blätter,die nur an den oberen Enden der Äste wuchsen. Weiter unten waren die Zweige nackt und glatt wie Schlangen. Selbst über dem Boden waren sie noch so stark wie das Handgelenk eines Mannes.
    Yonathan sah gerade noch, wie sich Din-Mikkith zwischenzwei Ästen hindurchzwängte. Dabei kam dem Behmisch seine Fähigkeit zugute seinen Körper nach Belieben zu dehnen und zu strecken. Als Yonathan die Stelle erreichte, musste er feststellen, dass für ihn die Äste zu eng beieinander standen. Unverrückbar stellten sie sich ihm wie dicke Gitterstäbe in den Weg; er konnte nur hindurchschauen.
    Yomi stand unmittelbar vor dem Stamm. Yonathan sah einen goldglänzenden Fleck auf der Rinde und auf diesem Fleck klebten Yomis Hände. Yomi zog und zerrte, stemmte sich mit beiden Beinen gegen den Stamm, aber er bekam seine Hände nicht los.
    Din-Mikkith lief geschäftig um Yomi herum, zog mal an dem einen, mal an dem anderen Arm, bis der Gefesselte vor Schmerz

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