Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok
starrer Miene setzte Yonathan die Klinge des Dolches an die Baumrinde. Yomi beobachtete sein Vorgehen voller Skepsis.
»Das habe ich befürchtet«, murmelte Din-Mikkith hinter ihnen.
Erneut hielt Yonathan inne. Er und Yomi blickten an Din-Mikkith vorbei und sahen, wie die Riesenkröte mit einem tiefen, rollenden Quaken ihr Maul öffnete und mit einer dicken, fleischigen Zunge über die gelben Zweige fuhr. Imselben Augenblick ließ die Spannung der Äste nach. Ja, an ihrem leichten Zittern und Schwanken war zu sehen, dass sie nur noch lose herabbaumelten, wie die langen Peitschen einer Trauerweide. Die Kröte beugte sich vor und durchstieß mitdem Kopf die Barriere der gelb glänzenden Äste wie einen Vorhang aus losen Bindfäden. Sie drang mühelos in das Gewölbe unter der Baumkrone ein.
Din-Mikkith, der hatte zurückweichen müssen und nun fast wieder bei Yonathan und Yomi stand, tänzelte vor der Krormakh hin und her, um ihren ebenso dummen wie kalten Blick von den beiden abzulenken.
»Din! Was machst du da? Sie wird sich auf dich stürzen«, rief Yonathan besorgt.
»Kümmer dich nicht um mich, Kleines. Sorge lieber dafür, dass dein Freund endlich von dem Stamm loskommt.«
»Aber…«
»Kein Widerrede! Hier ist es viel zu eng, als dass es sich auf mich stürzen könnte. Außerdem sind Krormakhs sehr träge.«
Mit leichtem Schnitt zog Yonathan die Klinge durch Rinde und Holz unter Yomis rechter Hand hindurch. Er achtete darauf, nicht selbst mit dem goldgelben, klebrigen Harz des Baumes in Berührung zu kommen.
In diesem Moment beugte sich die Riesenkröte mit nicht vermuteter Schnelligkeit vor und schleuderte ihre lange, blassrosafarbene Zunge gegen Din-Mikkiths Beine. Doch der fleischige Fangapparat erreichte sein Ziel zu spät. Din-Mikkith war in einer einzigen fließenden Bewegung zur Seite gesprungen, sodass die Zunge nur etwas weiche Erde emporschleuderte.
»Beeilt euch!«, rief der Behmisch und ruderte mit den Armen in der Luft herum, um die Aufmerksamkeit der Amphibie von dem wehrlos am Baumstamm hängenden Opfer abzulenken.
Mit Erfolg. Während Yonathan mit einem zweiten tiefen Schnitt Yomis rechte Hand befreite, schnellte die Zunge der Krormakh erneut in die Richtung des Behmischs. Obwohl Din-Mikkith auch diesmal zur Seite auswich, streifte ihn doch die Zunge an einem Bein und riss ihn zu Boden. Doch bevor die Kröte ihre gewaltige Masse in Bewegung setzen konnte, war Din-Mikkith wie eine Kugel außer Reichweite gerollt.
Die Kröte quakte abermals. Diesmal hörte es sich schon gefährlich gereizt an. Sonst klebten ihre Opfer immer an dem Baumstamm fest und verteidigten sich höchstens durch Fauchen, Schreien oder Quieken. Die schwarzen Pupillen in den gelben Krötenaugen wanderten hinüber zu der Stelle, an der sich die Mahlzeiten sonst immer einfanden. Da zappelten ja bereits zwei! Die Welt schien noch in Ordnung zu sein. Wahrscheinlich hatte diese dritte, die da so nervös herumhüpfte, keinen Platz mehr gefunden. Schwerfällig rückte die Kröte herum, um sich den beiden am Stamm zuzuwenden.
Yonathan und Yomi sahen das Ungeheuer auf sich zukommen. »Mach schnell!«, drängte Yomi. »Sie hat uns entdeckt. Gleich wird sie uns mit ihrer Zunge aufsammeln wie tote Fliegen.«
Yonathan setzte zum letzten Schnitt an und Din-Mikkith sprang vor. Es gelang ihm auch dieses Mal, die Aufmerksamkeit des Untiers auf sich zu ziehen. Während Yomis linke Hand endlich frei wurde, startete die Kröte einen letzten heftigen Angriff. Yonathan und Yomi hatten gerade die Öffnung im hölzernen Gitter erreicht, als die Krormakh, von Wut über die Flucht der bereits sicher gewähnten Beute gepackt, erneut die Zunge hervorschleuderte und Din-Mikkith zu fassen bekam. Sofort zog sie ihren Fangapparat ein.
Sie hätte den Behmisch zwischen ihre hornigen Kiefer befördert, wenn sich nicht Yonathan, mit Stab und Dolch bewaffnet, dazwischen geworfen hätte.
Einen winzigen Moment lang war die Krormakh unentschlossen und diesen Augenblick nutzte Yonathan und bohrte seinen Dolch in die Zunge des Tieres. Mit der blutigen Klinge in der Hand sprang er sofort einige Schritte zurück. Die Kröte löste in ihrer Verblüffung die Umklammerung ihrer Zunge und Din-Mikkith konnte sich mit einer unglaublichen Körperwendung aus der klebrigen Fessel befreien. So schnell wie möglich brachten sie einen ausreichenden Abstand zwischen sich und die nun ernsthaft erboste Riesenkröte. Ihr donnerndes Brüllen und Fauchen erschütterte den
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