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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Stelle aus einem Berghang herausragte. Die fast waagerechte Steindecke bot guten Schutz gegen Regen und Büsche mit fleischigen, dunkelgrünen Blättern verwehrten jeden Einblick in das Quartier. Die Gefährten ihrerseits konnten die Umgebung durch das Gestrüpp recht gut überblicken. Gleichwohl gab es da wenig Besonderes zu sehen
    – abgesehen vielleicht von einem unerklärlichen roten Schimmer, der auf den Wolken im Süden lag. Die Stimmen des Waldes klangen an diesem Abend etwas aufgeregter. Ansonsten bot sich jedoch der gewohnte Anblick des satten, grünen Pflanzenteppichs, über den nun die Abenddämmerung vom Tal herauf einen zarten Dunstschleier zog.
    »Da hast du ja wieder einen ziemlich guten Platz ausgesucht«, stellte Yomi zufrieden fest.
    »Ja, einen außergewöhnlich guten«, fügte Yonathan betont hinzu, da er eine Möglichkeit erkannte Licht in das Dunkel seiner vielen ungelösten Fragen zu bringen. »Din?«, tastete er sich vor.
    »Was gibt es, Kleines?«
    »Hast du eigentlich eine Idee, wie wir wieder aus dem Verborgenen Land herauskommen?«
    Din-Mikkith schwieg einen Augenblick. Dann erwiderte er: »Ja, Yonathan. Ich habe ein Idee. Aber leider ist es nicht mehr als nur ein Idee!«
    »Soll das heißen, wir marschieren tagelang durch die Wildnis, nur um irgendwann vor dem Südkamm-Gebirge zu stehen und gegen eine Felswand zu glotzen?«, ereiferte sich Yomi.
    »Nun, ganz so schlimm wird es nicht werden. Es ist nicht so, dass wir blind umhertappen. Ich suche eine ganz bestimmte Stelle.«
    »Und woher kennst du die Stelle?«, wollte Yonathan wissen.
    »Von ihm.« Din-Mikkith deutete auf Girith. Der Vogel saß in einem Busch, von dem aus er die Umgebung und den Lagerplatz überblicken konnte.
    Yomi schnaubte. »Von einem Vogel weiß er es. Wir folgen einem Vogel! Ziemlich verrückt das Ganze.«
    »Ihr folgt mir!«, korrigierte Din-Mikkith nachdrücklich.
    Yomi schwieg.
    »Was ist das für ein Weg, der uns aus diesem Land herausführen soll?«, fragte Yonathan. Er hatte schon oft genug durch die Macht des Stabes erfahren, was es bedeutete Wahrnehmungen oder Empfindungen anderer Wesen in sich aufzunehmen. Deshalb beunruhigte ihn die Herkunft von Din-Mikkiths Informationen nicht.
    »Du hast mich doch vor einiger Zeit nach dem alten Gedicht über die Sieben, die Wächter des Verborgenen Landes, gefragt, nicht wahr?«
    Yonathan nickte.
    »Ein Vers in dem Gedicht lautet: ›Auch Nüstern, die blasen mit eisigem Hauch, die schmelzen den Sucher in feuriger Glut.‹«
    »Ja? Und?«, drängte Yonathan ungeduldig.
    »Ein Wächter wird wohl nur da sein, wo es etwas zu bewachen gibt – zum Beispiel ein Tor.«
    »Du weißt, wo sich dieser Wächter befindet?«
    »Ich glaube es jedenfalls zu wissen. Girith hat entfernte Verwandte im Südkamm nahe einem Ort, auf den die alten Worte passen. Es könnte sich jedenfalls um unser Tor im Süden handeln.«
    Yomi war blass geworden. »Du willst uns doch nicht etwa zu diesen… ›Nüstern‹ bringen. Ich habe bereits einen der Wächter kennen gelernt – die Augen mit dem kalten Feuer, das selbst Steine verbrennen konnte. Das hat mir gereicht! Diese eisigen Nüstern werden uns drei – was immer sie sind – ziemlich schnell schmoren, wie eine Lammkeule im Kochtopf. Und ich habe keine Lust…«
    »Yomi!«, schnitt Din-Mikkith ihm sanft das Wort ab. »Haben euch denn die Augen verzehrt? Nein, sie haben es nicht. Genauso wird es auch ein Weg geben, an den Nüstern vorbeizukommen. Schließlich sind die Wächter dazu aufgestellt worden, Eindringlinge fern zu halten. Aber wir sind keine Eindringlinge, wir sind Ausdringlinge.«
    »Ausdringlinge?« Yomi klang nicht recht überzeugt. »Von so etwas habe ich noch nie gehört.«
    »Das wird unser Vorteil sein«, warf Yonathan dazwischen. »Schließlich ging es ja auch darum, die vernunftbegabten Geschöpfe von Zephon fern zu halten und sicher sind wir drei die Allerletzten, die die Wächter bei dieser Arbeit stören wollten, oder nicht?«
    »Ja, schon«, lenkte Yomi widerstrebend ein.
    »Siehst du. Dann werden wir auch einen Weg finden an diesem eisigen und zugleich alles zerschmelzenden Wächter vorbeizukommen – ich bin wirklich gespannt auf ihn.«
    Yomi verdrehte die Augen und legte sich schlafen.
    Yonathan schnappte noch einige Wortfetzen auf, die von »unvernünftigen, neugierigen Kindern« handelten, aber er schenkte ihnen nicht allzu viel Aufmerksamkeit. Sie alle waren durch die ständigen Gefahren dieses unbekannten Landes

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