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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Felsen war angenehm trocken. Blätter bedeckten ihn wie ein duftender dicker Teppich. Schon nach kurzer Zeit war Yomi eingeschlafen. Yonathan hatte sich fest vorgenommen seinem Freund den Anteil der Nacht zu gönnen, den dieser ihm selbst an den vergangenen Tagen so uneigennützig zugestanden hatte.
    Bald machte die Dunkelheit das Sehen unmöglich und Yonathan musste seine übrigen Sinne bemühen, um nach der Quelle der noch immer fühlbaren Bedrohung zu suchen. Seine Ohren lauschten angespannt den Geräuschen des Waldes und sein durch Haschevet unterstützter Geist tastete sich durch die nähere Umgebung.
    Doch es fand sich nichts.
    Blicklos starrte er in die rote Glut des erloschenen Feuers und es dauerte nicht lange, da war er völlig in seinen Gedanken versunken. Die Bilder der letzten Tage wanderten an ihm vorüber. Er fragte sich, was der Marsch durch diese unbekannte Wildnis noch an Überraschungen für sie bereithalten würde. Würden sie jemals Gan Mischpad, den Garten der Weisheit, erreichen?
    Einige Stunden waren bereits verstrichen und Yonathan kämpfte mit aller Kraft gegen die immer stärker werdende Müdigkeit an.
    Da hörte er ein Geräusch.
    Es war nicht das leise Rascheln oder Knacken eines Tieres – obwohl da irgendetwas Blätter und Äste in Bewegung brachte. Auch war es nicht das Säuseln des durch die Baumkronen ziehenden Windes – aber ein Rauschen war es ganz bestimmt. So sehr er sich auch bemühte, er konnte dieses Geräusch nicht identifizieren. Er fühlte, wie sein Unterbewusstsein Gefahr signalisierte, und er hatte gelernt diese Warnungen ernst zu nehmen.
    Er weckte Yomi.
    »Was ist denn los?«, fragte dieser schlaftrunken. »Bin ich schon dran mit der Wache?«
    »Sei still!«, flüsterte Yonathan. »Da draußen ist irgend etwas.«
    Yomi setzte sich auf. »Was ist es denn?«, flüsterte er.
    »Ich weiß es nicht. Es ist schon die ganze Zeit da, aber jetzt kommt es näher.«
    Yomi lauschte. »Ich höre nur so ein eigenartiges Plätschern, wie wenn Wasser über einen Stein rieselt.«
    »Und das Rascheln und Knacken?«
    »Ja, richtig«, bestätigte Yomi. »So klingt weder der Wind noch ein herumschleichendes Tier. Das Geräusch ist zu gleichmäßig. Man könnte meinen, es käme aus mehreren Richtungen auf uns zu.«
    »Genau das Gleiche habe ich auch schon gedacht.«
    Yomi schauderte. »Beinahe so, als würde ein Wald in einem See versinken.«
    Yonathan fuhr auf. »Was sagst du?« Ihm schoss ein Gedanke durch den Kopf. »Hattest du nicht vorhin vom Baum aus einen Sumpf oder so etwas gesehen?«
    »Richtig. Aber was hat das mit den Geräuschen da draußen zu tun?«
    Yonathan antwortete nicht gleich. »Entweder wir nähern uns dem Sumpf – oder er kommt auf uns zu.«
    »Aber wie kann das sein?« Yomis Stimme war wieder lauter geworden. »Der Boden unter uns kann doch nicht wandern, genauso wenig wie ein Sumpf.«
    »Das sagst du, weil du noch nie so etwas erlebt hast. Aber schau doch mal: Mein Erlebnis mit dem Erdfresser, der Stab Haschevet, der Bergegel, der Baum Zephon, ja, das ganze Verborgene Land – sind das nicht alles Dinge, über die du vor zwei Wochen noch ungläubig den Kopf geschüttelt hättest?«
    »Wir sollten uns wohl besser aus dem Staub machen.«
    »Dann lass uns… Moment mal.« Yonathan streckte die Nase prüfend in die Richtung des Sumpfes. »Riechst du auch was?«
    Yomi sog prüfend die Luft ein. »Das ist wahrscheinlich nur der modrige Geruch dieser grünen Nebelschwaden, die über dem Sumpf hingen.«
    »Wir müssen uns beeilen.«
    Schnell klaubten sie in der Dunkelheit ihre wenigen Habseligkeiten zusammen. Yonathan packte Haschevet und konzentrierte alle Sinne auf die Umgebung. Erschrocken stellte er fest, dass es erstaunlich still geworden war. Die ununterbrochene Melodie des Waldes war verstummt. Nur noch das Rascheln von Strauchwerk, das Rieseln von Wasser und ein immer deutlicheres Blubbern und Glucksen war zu vernehmen. Yonathan stellte fest, dass diese unsichtbare Bedrohung sich ihnen nicht auf gerader Front näherte. Vielmehr bildete sie eine gebogene Linie, fast wie ein Hufeisen – als wolle der Sumpf sie umzingeln.
    Die Vorstellung, einem arglistigen Feind dieser Art gegenüberzustehen, ließ Yonathan erschauern. »Dort entlang«, drängte er seinen Freund.
    Yomi konnte nicht sehen, in welche Richtung Yonathan deutete, doch er spürte den Zug des Seiles, mit dem sie sich wieder verbunden hatten. Stolpernd folgte er seinem Gefährten. So schnell es ging hasteten

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