Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
Pistazie, Mandelbaum und Haselnuss. Auch Sträucher und Bäume mit Früchten, die manchmal vertraut, manchmal enorm exotisch waren: Birnen und Bananen, Pflaume und Papaya, Stachelbeere und Sapotill. Und nicht zuletzt eine unübersehbare Palette weiterer bekannter und fremder Gewächse: Mangroven und Myrte, Olivenbäume und Ohrweiden, Kapokbäume und Kastanien, den Wolligen Schneeball ebenso wie die Weide, den Lotusbaum und Lorbeer…
Im Taumel unzähliger neuer Eindrücke gelangten sie schließlich, ohne es recht zu merken, auf eine Ebene hinaus, die nur von hohem Gras bewachsen war. Die Fläche mochte zwei Meilen tief wie weit sein und war ringsum von Sequoien umgrenzt, den mächtigsten Bäumen, die auf Neschan wuchsen. Beinahe dreihundert Fuß ragten sie in die Höhe, jeder von ihnen dreißig Fuß dick. Gleich einem Spalier gigantischer Wächter mit gewaltigen, säulenartigen Beinen umringten sie das Wiesenquadrat, dessen Mittelpunkt das Ziel des munteren Bächleins war.
»Von der Düne aus war dieser Platz gar nicht zu sehen«, wunderte sich Yomi, während die Gemeinschaft zu Füßen der Wachtbäume Halt machte.
»Das liegt an der netten kleinen Hecke hier«, erklärte Gimbar und deutete mit dem Daumen nach oben, da wo sich – dem Auge entrückt – die Kronen der monumentalen Baumriesen befinden mussten. »Die Sanddüne, auf der wir standen, dürfte dagegen ziemlich unbedeutend sein.«
Dann richtete der Prinz das Wort an den Karawanenführer. »Was denkst du, Yehsir, wäre das nicht ein guter Platz, um uns von den Strapazen der Wüste zu erholen? Wir haben Wasser, sind windgeschützt und können zwischen Sonne und Schatten wählen, wie es uns beliebt.«
Yehsir nickte bedächtig. »Er ist wirklich gut und bietet alles, was wir benötigen. Nur eines würde mich noch interessieren.«
»Und das wäre?«
»Ist euch dieser seltsam geformte Fels – oder was immer es ist – aufgefallen, der sich dort in der Mitte dieses Grasfeldes befindet?« Yehsir deutete den Bachlauf hinauf.
»Ich habe mich auch schon gefragt, was das sein könnte«, murmelte Yonathan.
»Dann lasst uns die Packpferde hier festmachen und zu der Stelle hinüberreiten.«
Als die Gefährten sich dem merkwürdigen Steingebilde näherten, überquerten sie noch mehrere flache Bäche und Flüsschen, die ebenfalls alle auf den Mittelpunkt des grünen Vierecks zueilten. Im Zentrum des großen, grünen Wiesenvierecks vereinten sich alle Bäche in einem kreisrunden See. Merkwürdigerweise lief der See nicht über, bei all dem Wasser, das hineinfloss. Seine Oberfläche kräuselte sich kaum. Wie ein großer Spiegel lag die Wasserfläche ruhig da und reflektierte das Bild eines Körpers, der die fünf Besucher ein weiteres Mal ratloses Staunen empfinden ließ.
»Was ist das?«
»Ich weiß nicht, Yonathan. Wenn ich es wüsste, würde ich es bestimmt verraten.«
»Es beruhigt mich, dass du nicht alles weißt, Gimbar – unheimlich sogar!«
»Ich habe nie behauptet, alles zu wissen, Yo.«
»Aber du hast es auch nie abgestritten.«
»Vielleicht ist das der eigentliche Grund, warum der Wandernde Garten den Namen Ras trägt.« Yehsir rieb sich das von grauen und schwarzen Bartstoppeln gespickte Kinn. »Habt ihr die Schriftzüge gesehen? Sie sind in den alten Zeichen verfasst, die heute nur noch wenige lesen können. Mir scheint, dass es sich dabei um Namen handelt. Allerdings sagen sie mir nichts. Auf jeder Fläche steht einer, seht ihr?«
Yehsir deutete auf die verschiedenen Seiten des Steins, der die Form eines Kubus mit einem spitzen Dach hatte. Ja, das Ganze sah tatsächlich aus wie eine kleine Hütte, deren Giebel mit den darunter liegenden Stirnwänden eine durchgehende Fläche bildeten und deren Seitenwände unmittelbar in die schrägen Flächen des Spitzdaches übergingen. Allerdings bestand dieses Haus aus massivem, schneeweißem Stein; Türen und Fenster gab es nicht. Dafür gab es die Schriftzeichen, von denen Yehsir gesprochen hatte.
Yonathan stellte verblüfft fest, dass es dieselben Namen waren, die er in den Bochim gesehen hatte: Henoch, Yambar, Yekonya, Elia, Tarika und Meng Tse. Während er zögerte, ob er nicht doch seine Erlebnisse im Nirgendwo der Bochim offen legen sollte, stellte Felin erste Vermutungen an, die einmal mehr verrieten, dass der Prinz nicht nur eine hervorragende Ausbildung genossen hatte, sondern auch über einen wachen Verstand verfügte.
»Erinnert ihr euch an das prophetische Bild aus Yenoach, der ersten
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