Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
richterlichen Rolle im Sepher Schophetim? Darin ist von dem Tränenland die Rede, das von einem bösen Fürsten regiert wird. Als der König von der üblen Regentschaft seines Vasallen hört, entsendet er Verwalter, um wieder für Frieden und Ordnung zu sorgen. Insgesamt sieben treue Männer werden zu dem bösen Fürsten geschickt. Sie weisen ihn zurecht und sorgen für eine gewisse Ordnung, aber erst, als der Fürst durch den siebten Verwalter in Ketten gelegt wird, erhält das Land wieder Frieden und Wohlstand. Erinnert ihr euch auch noch, was der König dem Volk ausrichten ließ, als es nur den siebten Verwalter für die Befreiung von dem Joch des Fürsten lobpries?«
Yonathan fragte sich, warum er nicht selbst auf diesen Zusammenhang gekommen war. Aber viele große Rätsel haben eine sehr einfache Lösung. Halb betäubt von dieser plötzlichen Erkenntnis und einer weit reichenden Ahnung, wiederholte er die Worte aus dem Sepher.
»Sieben waren es, die euer Ungemach trugen, und sieben, die dem Handeln des bösen Fürsten Einhalt geboten. Wie ein Haus mit sieben Flächen – einem Boden, vier Wänden und zwei schrägen Dachhälften – habe ich sie um euch gebaut. Wohl ist der siebte Verwalter das Fundament – und ohne Grundlage kann ein Haus im Sturm nicht bestehen –, was aber nutzt ein starker Unterbau ohne Wände und Dach? Nur alle sieben können ein Ganzes bilden. Nur in der Einheit wird der Zweck vollkommen erfüllt.«
»Richtig«, stimmte Felin lächelnd zu. »Mein Lehrmeister, Sahavel, hätte seine wahre Freude an dir, Yonathan. Diese Namen dort stehen für die Richter Neschans. Das Haus ist dasjenige aus der Prophezeiung. Es ist ein Sinnbild für die Befreiung der Tränenwelt, Neschan, von all dem Ungemach, das Melech-Arez ihr einst zufügte.«
»Ich verstehe ja nicht viel von den alten Schriftzeichen«, wandte Yomi ein. »Aber mir scheint, dass diese Namen nicht mit denjenigen der Richter übereinstimmen. Außerdem wird es sieben Richter geben und dort stehen nur sechs Namen.«
»Auf die Gefahr, dass du mir wieder vorwirfst alles besser zu wissen, Yo – die Antwort ist einfach. Der siebte Name ist das Fundament. Deshalb muss er unten stehen, im Wasser.«
»Wie kommst du darauf, dass man den Namen finden könnte, wenn man in das Wasser taucht?«
»Ist doch ganz einfach, Yonathan. Hast du nicht bemerkt, dass der weiße Stein dort schwimmt?«
Tatsächlich, wenn man genauer hinschaute, sah man, dass der weiße Stein sich langsam drehte. Wenn gelegentlich ein zarter Windhauch die sonst glatte Wasseroberfläche kräuselte, schien er sogar ganz sacht auf und ab zu wippen.
»Vielleicht ist das gar kein Stein. Sonst wäre es ein großes Wunder«, bemerkte Yehsir.
»Ist nicht dieser ganze Garten ein großes Wunder?« Yonathan war zu einer Einsicht gelangt, die er nicht länger für sich behalten wollte. »Ich vermute, dieser Stein – oder was immer es ist – gab der Oase ihren Namen. Der Name des siebten Richters steht auf dem Fundament und sein Kommen hängt davon ab, ob Haschevet in Goels Hände gelangt. Auch ich möchte diesen siebten Namen gern erfahren. Was aber die anderen sechs Namen betrifft, zu denen kann ich euch einiges erzählen. Aber nicht hier. Lasst uns erst das Lager errichten.«
Das tat man. Sie bauten die Zelte auf, ein Lagerfeuer wurde entfacht und Yehsir zauberte aus den getrockneten Speisen und frischen Kräutern und Früchten aus dem Garten eine wunderbare Mahlzeit, sodass man bald satt und zufrieden Yonathans Erzählung von der Begegnung mit Benel in den Bochim entgegensah.
Yonathan ließ nur weniges aus – die verwandtschaftliche Verbindung zu Ascherel etwa und die Beschaffenheit desneuen richterlichen Symbols, der Flöte. Über die Träumer schwieg er ebenfalls, denn die Unsrigen verrichteten ihr friedliches Werk lieber ungestört.
»Wenn nicht du diese unheimlich eigenartige Geschichte erzählt hättest, Yonathan, würde ich sie nicht glauben. Aber bei dir ist man ja so einiges gewöhnt«, staunte Yomi, nachdem Yonathan seinen Bericht beendet hatte. »Aber wo kommen die Richter her? Wenn diese Namen, die wir auf dem weißen Steinhaus gelesen haben, sozusagen ihre Geburtsnamen waren, wer hat sie ihnen gegeben?«
»Vermutlich ihre Eltern, Yo.«
Yomi warf Gimbar, der anstelle Yonathans geantwortet hatte, einen verdrießlichen Blick zu. »Danke, darauf wäre ich selbst bestimmt nie gekommen.«
»Das wusste ich, mein Freund. Aber dafür hast du ja mich. Du weißt ja: Ich
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