Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
bin dir immer gern behilflich.«
»Ich kann auch nicht sagen, wo die Richter herstammen«, gab Yonathan zu.
»Womit wir ein weiteres Geheimnis hätten«, resümierte Felin. »Ras macht seinem Namen wirklich alle Ehre.«
Es folgten vier Tage, die die Freunde bestimmt niemals vergessen würden, solange sie auch lebten. Viele unglaubliche und erfreuliche Erlebnisse verkürzten ihnen die Zeit. Schon am ersten Abend machte Yehsir eine Entdeckung.
Obwohl aufs Äußerste erschöpft, konnten die Freunde doch lange nicht einschlafen. Der Schützende Schatten saß zu Füßen der mächtigen Sequoien und studierte den Nachthimmel. Als er die Sterne eine Zeit lang beobachtet hatte, begann er unruhig vor sich hin zu murmeln. Das erweckte die Neugierde der anderen.
»Was gibt es, Yehsir?«, fragte Felin schließlich.
»Ras scheint zu wandern.«
»Aber das ist doch nichts Neues«, gab Yonathan zu bedenken. »Deshalb nennt man ihn doch den Wandernden Garten.«
»Man nennt ihn so, weil er schon überall in der Welt erschienen ist«, schränkte Yehsir ein. »Was ich meine, ist, dass der Garten jetzt, in diesem Augenblick, wandert.«
»Du glaubst, er bewegt sich, mit uns mitten drin?«
»Ja, Yonathan.«
»Es scheint zu stimmen«, pflichtete Yomi dem Karawanenführer bei. »Jetzt, wo Yehsir es sagt… Auf hoher See orientieren wir uns auch an den Sternen, deshalb verstehe ich einiges davon.«
Am nächsten Morgen beschäftigte sich Yehsir lange mit dem grünen Orientierungsstein, den er während des Wüstenritts an jedem klaren Tag benutzt hatte, um die Position der Karawane im unendlichen Sandmeer zu ermitteln. Ras bewegte sich mit stetigem Tempo nach Osten – genau auf Gan Mischpad zu.
»Mir scheint, die Zeit wird knapp«, sagte Yonathan. »Offenbar möchte Yehwoh, dass der Stab so schnell wie möglich in den Garten der Weisheit gelangt.«
»Das klingt vernünftig«, meinte Yomi gut gelaunt. Die Aussicht, auf eine derart bequeme Weise das Reiseziel zu erreichen, gefiel ihm.
»Freu dich nicht zu früh, Yomi. Ich habe jetzt schon viele Gaben Yehwohs kennen gelernt. Das alles sind Dinge, die dann helfen, wenn unsere eigenen Möglichkeiten erschöpft sind. Sie sorgen dafür, dass die dunkle Seite, die oft mit unfairen Mitteln kämpft, nicht das Übergewicht bekommen kann. Aber in welche Richtung die Waage sich schließlich neigt, hängt von uns allein ab. Wir müssen mit unserer ganzen Kraft das Gewicht bilden, das sie schließlich auf die Seite des Guten sinken lässt. Die Oase Ras macht da bestimmt keine Ausnahme.«
»Du denkst, der Garten wird irgendwann einfach wieder stehen bleiben?«, fragte Felin.
»Entweder das oder wir wachen eines Morgens auf und liegen wieder im Wüstensand. Ich glaube, Ras hilft uns nur, solange wir uns vom Durst und der Erschöpfung der letzten Tage erholen. Anschließend müssen wir wieder aus eigener Kraft vorwärts kommen…«
Yonathan sollte Recht behalten. Aber Ras ließ sich Zeit. Er erwies sich als freigebiger und unterhaltsamer Gastgeber.
Und seine Besucher waren an allem interessiert, was die Oase zu bieten hatte.
In Streifzügen erkundeten sie die wundersame Vielfalt des Gartens, streiften durch schillernde Herbstwälder, bewunderten die Schönheit klarer Wintertage, freuten sich am Duft bunt gesprenkelter Sommerwiesen.
Am dritten Tag machte Gimbar eine erfreuliche Entdeckung. Im niedrigen Geäst eines Johannisbrotbaums fand er einen Gepäcksattel. Schnell hatte man herausgefunden, dass die daran hängenden Bündel und Wasserschläuche zu der Ausrüstung gehörten, die in dem Sandsturm verloren gegangen war.
»Können unsere Packpferde den Garten gewittert haben?«, fragte Yomi ungläubig.
»Ich vermute eher, dass der Garten die Pferde eingefangen hat, weil wir sie noch benötigen«, entgegnete Yonathan.
»Ein Garten, der Pferde fängt?«
Die anschließende Suche war bald von Erfolg gekrönt. Zehn der im Sandsturm entlaufenden Packtiere konnten wieder eingefangen werden. Die meisten trugen noch ihr schweres Gepäck und waren nur allzu froh, als sie von ihrer drückenden Last befreit wurden.
In der Nacht des vierten Tages verkündete Yehsir: »Ras ist stehen geblieben.«
Yonathan war nicht überrascht. »Das passt. Ich fühle mich ausgeruht und frisch wie lange nicht mehr.«
»Gut, dann werden wir morgen früh aufbrechen.«
Die letzte Entscheidung
Die Landschaft, die sich den Aufbrechenden beim Verlassen des Gartens am frühen Morgen zeigte, hatte sich
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