Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
warfen sich einen überraschten Blick zu. Das war keine Knabenstimme gewesen, sondern eine mächtige, ebenbürtige Kampfansage, die ihnen gewaltig in den Ohren dröhnte.
    Stille beherrschte die Szene. Selbst der Wind schien den Atem anzuhalten. Alle, auch Yonathan selbst, mussten feststellen, dass hier Gewalten aufeinander trafen, die ihre Vorstellungskraft überstiegen. Doch der Heeroberste Bar-Hazzats wollte sich noch nicht geschlagen geben. Schnell erholte er sich von der Erkenntnis, dass er nicht allein über die Macht der »Stimme« verfügte.
    »Wenn Ihr nicht umkehren wollt«, dröhnte er, »so soll dies Euer Ende sein!« Seine Stimme rollte mit der zerstörerischen Macht einer Meereswoge über die drei Gefährten hinweg.
    »Da!«, rief Yomi sogleich. »Seht, das Wasser!«
    Yonathan warf den Kopf herum. Eine Viertelmeile vor dem Bug der Mücke begann die Wasseroberfläche zu kreisen. Erst langsam. Dann zunehmend schneller. In der Mitte des Strudels wölbte sich das Wasser nach unten. Alsbald zeigte sich ein dunkles Loch, ein gewaltiger, gieriger Schlund inmitten des Wirbels aus tosender Gischt, bereit, alles und jeden zu verschlingen, der es wagte, sich ihm zu nähern.
    Fieberhaft nach einem Ausweg suchend starrte Yonathan auf den Knauf Haschevets; die vier blank polierten Gesichter starrten unbewegt zurück. Sollte er Sethurs Macht wirklich unterschätzt haben? In dem blitzenden Schnabel des goldenen Adlerkopfes spiegelte sich die Wasseroberfläche wider.
    »Ich sage es Euch ein letztes Mal«, hallte Sethurs Stimme. »Kehrt um!«
    »Schlag das Ruder hart backbord ein!«, brüllte Yomi Gimbar zu.
    Der Schlund näherte sich unaufhaltsam und Yonathan starrte noch immer in das goldene Adlergesicht.
    »Aber wir werden an den Klippen zerschellen!«, rief Gimbar.
    Ein Maul, wie das eines Drachen, dachte Yonathan.
    »Hast du eine bessere Idee?«, fragte Yomi.
    Yonathan begriff das nicht. Warum weigerte sich der Stab, diesen Strudel, diesen gierigen Drachenschlund widerzuspiegeln?
    Gimbar sah ein, dass Yomis Vorschlag allemal besser war, als nichts zu tun. Er festigte seinen Griff an der Ruderpinne.
    »Halt!«, brüllte Yonathan.
    Gimbar blickte ihn ungläubig an.
    »Nicht den Kurs ändern«, fügte Yonathan aufgeregt hinzu.
    »Aber…«, warf Yomi ein.
    »Wir werden hinabgezogen werden!«, rief Gimbar.
    Yonathan war sich jetzt ganz sicher. »Nein. Yomi, denk doch an den Drachen, als wir vor dem Tor im Süden standen, an sein fürchterliches Maul. Hatte er uns etwas antun können?«
    Gimbar wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. »Ich verstehe nicht, was du da sagst, Yonathan!«
    »Er hat Recht, Gimbar!«, rief Yomi. »Der Strudel ist in Wirklichkeit gar nicht da.«
    »Das ist doch Blödsinn! Ich ändere jetzt jedenfalls den Kurs.«
    »Aber schau doch, Gimbar.« Yonathan hielt seinem Freund den Knauf Haschevets entgegen. »Der Strudel spiegelt sich nicht in dem blanken Gold.«
    Gimbar fehlte die Muße für derlei Betrachtungen.
    »Dann achte doch einfach auf die Mücke«, rief Yonathan und deutete auf das Wasser. »Wir befinden uns schon am Rand des Strudels und sie läuft geradeaus weiter wie zuvor.«
    Gimbar stutzte. Das kleine Segelschiff lief wirklich mitten in den Wirbel aus reißenden Wassermassen hinein, blieb aber unbeirrt auf Kurs. Kein Zerren, kein Ziehen war am Ruder zu spüren. Schon bald befand sich die Mücke im Zentrum des Strudels. Wie auf den Flügeln eines Sturmvogels segelte sie darüber hinweg. Der gähnende schwarze Abgrund bescherte den drei Flüchtenden ein mulmiges Gefühl in der Magengrube, vermochte ihnen aber sonst nichts anzuhaben.
    Ein letztes Mal schwebte Sethurs Stimme von der Narga herüber: »Und ich werde dich doch bekommen, Yonathan!« Dann blieb das schwarze Schiff zurück. Während sich die Mücke mit ihrer kleinen Besatzung den Klippen näherte, steuerte die Narga langsam auf den Sandstrand zu. Die Luft war von ätzendem Gestank erfüllt. Das mächtige Vollschiff nahm Wasser auf und neigte sich schon bedrohlich zur Seite.
    »Gimbar, was hast du vor?«, rief Yomi erschrocken. Die Mücke schoss an einer Felsnadel vorbei, direkt auf ein unüberschaubares Gewirr spitzer Klippen zu. Das Wasser der Bucht war inzwischen schon fast völlig vom Weißen Fluch bedeckt.
    Gimbars Gesichtsausdruck verriet höchste Konzentration. »Zieht die Köpfe ein!«, rief er unvermittelt und drückte die Ruderpinne nach steuerbord. Der Großbaum flog beim Halsen wie eine Streitkeule über Yonathan und

Weitere Kostenlose Bücher