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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wenig zu euch hinuntergetropft, stimmt’s?«
    Yonathan nickte.
    Gimbar rieb sich den Nasenrücken. »Also, das war so. Während du den Wächter mit deinen Bauchschmerzen – die übrigens sehr überzeugend klangen – ablenktest, kletterte ich an Deck und sah, dass achtern eine Luke offen stand. Ich schlich mich dorthin und hörte, wie der andere Wächter mit dem Koch diskutierte. Er wollte diesen unbedingt zu dir mitnehmen, damit er einen Blick auf dich werfe, aber der Koch hielt nicht sehr viel davon. Er meinte, ein Kräutertrunk für den Gefangenen sei genug. Ich bekam einen gehörigen Schreck und zog schnell meinen Kopf zurück, als der Koch plötzlich in der Kombüsentür erschien und in den Vorratsraum ging. Kurz darauf kehrte er zu dem Wächter zurück, hatte aber die Tür zum Vorratsraum offen stehen lassen. Das war die Gelegenheit! Ich schlich mich den Niedergang hinab und schlüpfte in die Speisekammer.«
    »Das war aber ziemlich gefährlich!«, staunte Yomi. »Wenn der Koch nun plötzlich zurückgekommen wäre und dich entdeckt hätte…«
    Gimbar zuckte die Achseln. »Im Leben wird einem nichts geschenkt. Außerdem war der große Vorratsraum so voll gestellt mit Fässern und anderem Plunder, dass man kaum gesehen werden konnte – eher noch eingesperrt. Wie auch immer, ich beeilte mich, in dem schwachen Licht, das vom Gang hereindrang, die kleineren Flaschen und Töpfe zu untersuchen, die in offenen Kisten lagerten. Endlich fand ich, was ich suchte: Aguna!«
    Yonathan schaute verständnislos. »Was ist Aguna?«
    Gimbar lächelte. »Ach ja, natürlich. Im hohen Norden, bei euch in Kitvar, wird dieses Zeug sicher kaum jemand kennen – jedenfalls kein dreizehnjähriger Junge.«
    »Aguna ist eine Droge aus Temánah«, erklärte Yomi, der als Seemann schon so manche Ware kennen gelernt hatte.
    »Ist Aguna in der Sprache der Schöpfung nicht das Wort für ›eine von ihrem Mann verlassene Frau‹?«, wunderte sich Yonathan.
    »Kann schon sein«, brummte Gimbar. »In entsprechenden Mengen wirkt Aguna schlimmer als Alkohol. Wer es zu sich nimmt, erlebt einen starken, aber, wie man behauptet, angenehmen Rausch. Er sieht verrückte Bilder und wird völlig willenlos. Schluckt man zu viel davon, so wacht man nie mehr auf. Kein Wunder also, wenn dieser Saft Aguna heißt; er hat sicher schon so manche Ehefrau zu einer ›verlassenen Frau‹ gemacht.«
    Yonathan schauderte. »Aber warum hast du gerade dieses Zeug gesucht, Gimbar?«
    »Nun, es war nicht unbedingt Aguna, was ich zu finden hoffte. Aber es war etwas, das meinen Zweck erfüllte. Du musst nämlich wissen, dass Aguna in sehr kleinen Mengen vor allem schläfrig macht.«
    Yonathan nickte. Jetzt wurde ihm einiges klar.
    »Von nun an war alles ganz einfach«, fuhr Gimbar fort. »Das heißt, fast alles. Nachdem ich das Fläschchen eingesteckt hatte, fand ich ein kleines Fass Bier. Gerade wollte ich mit dem Fässchen in den Armen wieder die Treppe zum Deck emporklettern, als ich den Koch zurückkommen hörte. Ich wagte kaum zu atmen, als er auf den Gang trat. Aber ich hatte Glück: Er verschwand in dem Vorratsraum und ich stahl mich inzwischen ans Oberdeck zurück.«
    »Puh!«, keuchte Yomi. »Das war aber unheimlich knapp, würde ich sagen.«
    »Ist dir denn kein ungefährlicherer Plan eingefallen, um uns zu befreien?«, fragte Yonathan.
    »Mein lieber junger Freund!«, mahnte Gimbar energisch. »Es wäre natürlich einfacher gewesen, den beiden Wächtern die Schädel einzuschlagen. Aber wenn ich mich recht erinnere, dann war es doch dein Wunsch, dass ihnen ja nichts Schlimmes zustoßen sollte, oder?«
    »Stimmt«, gab Yonathan zu. »Also, erzähl schon weiter.«
    »Das nächste Problem war, den Wächtern das Fass mit dem Bier unterzujubeln – ich konnte ja schlecht zu ihnen gehen und sie zu einem kleinen Umtrunk einladen.« Gimbar grinste breit. Er beugte sich vor und senkte die Stimme. »Nachdem ich also ein wenig von dem Aguna ins Fass geträufelt hatte, schlich ich mich so nahe wie möglich an die beiden Wächter heran. Ich ließ das Bierfass vorsichtig auf die Planken nieder und lockerte den Pfropfen, dass ein wenig vom Inhalt heraustropfen konnte. Darauf zog ich mich an eine geschützte Stelle zurück, um die beiden zu beobachten. Zuerst bildete sich eine kleine Pfütze unter dem Fass und dann machte sich ein dünnes Rinnsal auf den Weg zu den Wächtern…«
    »Und dabei tropfte etwas zu uns herunter«, ergänzte Yonathan, während er Yomi zuzwinkerte.

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