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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Segelschiff, etwa so groß wie die Mücke; vermutlich das Schiff, mit dem Sethur am Tag zuvor angekommen war. Als ein erster Finger des Weißen Fluches den Einmaster erreichte, entstand ein hässliches Geräusch – wie das Zerplatzen Millionen feiner Seifenbläschen. Das Schiff begann sich von unten heraufzulösen und seine Überreste schwanden in dem weißen Schaum wie Schnee auf einem heißen Backblech. Ein ätzender Geruch erfüllte die Luft und weckte Yonathan aus seiner Lethargie.
    Vielleicht war das ja die Hilfe, die er erfleht hatte. Er eilte zu Yomi und Gimbar, die in dem allgemeinen Getümmel unbeachtet dasaßen, die schweren Säcke in den Armen.
    »Hilf uns, Yonathan!«, rief Gimbar. Er ließ den Sack fallen, kauerte sich darauf und machte sich an den Knoten zu schaffen. »Wir kommen nie hier weg, wenn wir diese Dinger nicht loswerden.«
    »Wartet!«, sagte Yonathan. Er kniete sich zu Yomi nieder und zog seinen funkelnden Dolch aus der Scheide.
    Gimbar machte große Augen. »Wo hast du denn den her?«
    »Später, Gimbar. Nicht jetzt. Yomi! Nimm doch endlich die Finger da weg. Willst du, dass ich sie dir abschneide?«
    Im Nu hatte Yonathan die Seile zerschnitten und seine Freunde befreit. Kritisch betrachtete er ihre Fußketten. »Werdet ihr es damit bis zur Mücke schaffen?«
    »Es wird schon irgendwie gehen«, sagte Gimbar.
    Yonathan fiel etwas ein. »Lass mich noch mal an deine Ketten«, sagte er zu Gimbar und umfasste den Griff des Dolches fester. Er schloss die Augen und konzentrierte sich. Dann setzte er die Schneide des Messers an die schwere Kette, dicht neben der linken Fußschelle. Die Klinge durchschnitt mühelos das Eisen. Gimbar fiel die Kinnlade herunter. Ein weiterer Schnitt beim rechten Fußgelenk und der Freund war frei.
    »Jetzt lass uns aber hier abhauen«, sagte Yomi, nachdem Yonathan auch seine Ketten durchtrennt hatte. Mit einem freundlichen Klaps auf die Schulter brachte er Gimbar wieder in die Wirklichkeit zurück. »Komm, Pirat! Du hast später noch genügend Zeit, darüber nachzudenken.«
    Gimbar fürchtete um seinen Verstand. Er schüttelte den Kopf. »Ja«, lächelte er benommen. »Suchen wir unser Insekt.«
    Der Weg zur Mücke war ein Hindernislauf. Nicht weil irgendein temánahischer Krieger die drei Flüchtenden ernsthaft aufzuhalten suchte; die Männer Sethurs waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Aber dieses unbeschreibliche Durcheinander! Speere sirrten, Streitkeulen flogen – man konnte leicht den Kopf verlieren.
    Geduckt hin und her springend erreichten Yonathan, Yomi und Gimbar schließlich doch ihr Ziel. Die Strickleiter zur Mücke hinab hing noch an ihrem Ort. Wenige Augenblicke später durchschnitt Yonathans Dolch das Tau zur Narga. Erst jetzt fiel ihm etwas ein. »Gimbar! Wie sollen wir überhaupt aus der Bucht herauskommen? Der Weiße Fluch ist schon überall. Da, schau doch! Der Schaum kommt gerade um die Narga herum. Gleich wird er auch bei uns sein.«
    »Beruhige dich, Yonathan. Wir müssen zu den Klippen hinüber.« Gimbar deutete auf ein undurchschaubares Gewirr aus schroffen Felsnadeln und klobigen Steinbrocken. »Schnell, hilf Yomi beim Segelsetzen.«
    Während Yomi gemeinsam mit Yonathan Groß-, Stagsegel und Klüver hisste, stieß Gimbar die Mücke mit einer Ruderstange von der Bordwand der Narga ab und brachte sie auf Kurs.
    »Aber du steuerst ja direkt auf die Felsen zu!«, rief Yomi. »Dort können wir niemals an Land gehen. Das Schiff wird zerschellen!«
    »Bleibt ruhig. Ich weiß, was ich tue.«
    Sobald die Mücke etwas Abstand zur Narga gewonnen hatte, blähte der Wind die dreieckigen Segel des kleinen Einmasters und trieb ihn schneller und schneller auf die Felsen zu. Und plötzlich war da wieder Sethurs Stimme.
    »Bleibt hier! Kommt zurück! Yonathan…!«
    Die Fliehenden zuckten zusammen und schauderten. Dieser klagende Ruf schwebte wie ein körperloses Etwas mitten unter ihnen. Doch diesmal fehlte der Stimme die Kälte, das Bedrohliche. Sie war nur noch ein fahler Schimmer aus Unmut und Verzweiflung, als ahne sie schon ihre Niederlage.
    Yonathan fühlte, dass sie dem Bann Sethurs entkommen konnten. Der Heerführer Bar-Hazzats war zu sehr damit beschäftigt, die Narga – und die eigene Haut – zu retten, als dass er ihnen im Moment gefährlich werden konnte.
    »Ihr werdet Yehwohs Vorsätze nie vereiteln können, Sethur. Gebt endlich auf. Der Stab wird sein Ziel erreichen.« Yonathans Antwort hallte durch die Bucht.
    Yomi und Gimbar

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