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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Hier in Cedanor gibt es nur ganz selten Schnee. Selbst im Winter ist es kaum einmal wirklich kalt. Umso verwunderlicher ist dieser Fluss da. Er ist immer eisig, nicht nur jetzt, im Winter, sondern auch dann, wenn einem die Sommerhitze oben auf dem Palastberg schier den Atem raubt.«
    »Seltsam«, murmelte Yonathan.
    »Weiter hinten verengt sich dieses Gewölbe, um sich kurz darauf zu einer zweiten Höhle auszuweiten. Dort vermischt sich das Wasser mit dem Salz und bildet einen großen unterirdischen See. Seltsamerweise scheint es an dieser Stelle sogar noch kälter zu sein.«
    Yonathan nickte. »Ich verstehe nur nicht, was das mit Grantors Belagerung zu tun hat.«
    »Ganz einfach: Während der Belagerung schöpfte man das Trinkwasser für den Palast aus diesem unterirdischen Fluss hier. Tag für Tag förderten Männer über ein ausgeklügeltes Seilsystem viele Wasserfässer an die Oberfläche; man füllte die großen Behälter an einer Stelle weiter dort oben, wo das Wasser noch frei vom Salz ist.« Felin deutete stromaufwärts.
    »Dann geschah eines Tages etwas Merkwürdiges. Während die Männer wie gewohnt im Licht der Fackeln damit beschäftigt waren, ihre Fässer mit Flusswasser zu füllen, verfärbte sich das Wasser urplötzlich – es wurde rot wie Blut. Ja, man erzählte sich sogar, es wäre rot von Blut gewesen, da es auch genauso roch. Das Ganze dauerte nicht lange und nur wenige Männer wurden Zeugen dieses Zeichens. Wahrscheinlich hätte ihnen auch kaum jemand geglaubt, wenn sie nicht gerade drei Fässer in den Strom getaucht hätten. Sobald der Kaiser von dem Vorfall erfuhr, kam er hier herab, um sich den Inhalt der Fässer mit eigenen Augen zu besehen. ›Das ist das Zeichen‹, soll er gesagt haben. Und: ›Ich hoffe, dies ist nicht das Blut Goels und seiner tapferen Streiter. Gewiss ist’s ein Zeichen von Dingen, die erst noch geschehen müssen, ein Zeichen für das Blut der dunklen Horde Grantors, das – genau wie dieses hier – in unsere Hand gegeben wird.‹ Mit diesen Worten soll er sein Schwert in eines der Fässer gesteckt und anschließend die blutrote Klinge hochgereckt haben, sodass alle sie sehen konnten. Was danach geschah, ist dir ja bekannt: Eine kleine Schar erlesener Krieger schlich sich durch das Höhlensystem hinter die Linien der Belagerer, sodass diese überrascht wurden.«
    So viel Blut!, dachte Yonathan. Ihm grauste bei der Vorstellung an den Kaiser mit seinem blutigen Schwert, an die vielen Toten und die grässlich verstümmelten Menschen, die im Laufe von Neschans Geschichte immer wieder der Bosheit, Machtbesessenheit und Selbstsucht zum Opfer gefallen waren.
    Felin schien die Empfindungen seines Gastes zu erraten. »Ich spreche nicht gerne über diese Zeiten; mir ist jedes sinnlose Blutvergießen zuwider. Aber ich wollte dir diese Geschichte erzählen, weil sie mit dem Geheimnis dieser Höhle verwoben ist. Bis auf die kaiserliche Familie gibt es wahrscheinlich kaum jemanden mehr, der genau weiß, wie man in diese Höhle und zu dem unterirdischen Flussbett gelangt. Dieses Wissen wird gehütet wie ein kostbarer Schatz, für den Tag, an dem es vielleicht wieder einmal benötigt wird – obwohl ich hoffe, dass eine solche Zeit wie damals nie mehr über Cedanor kommen wird.«
    Jetzt verstand Yonathan. »Es ist wirklich ein besonderes Zeichen Eures Vertrauens, mich in dieses Geheimnis einzuweihen, Prinz Felin.«
    Der Prinz wirkte befangen. »Frag mich nicht warum, Yonathan, aber ich hatte das Gefühl, dieses Wissen stehe dir zu. Glaubst du, du kannst mir jetzt vertrauen?«
    Ein Schauer der Scham überlief Yonathan. Wie hatte er nur an der Aufrichtigkeit dieses edelmütigen Menschen zweifeln können? »Ich vertraue Euch, Felin«, war alles, was er sagen konnte.
    »Dann habe ich eine Bitte«, sagte Felin. »Könnten wir nicht auf diese Förmlichkeit zwischen uns verzichten?«
    »Aber Ihr seid der Prinz!«, protestierte Yonathan.
    »Ich bin kaum älter als du. Außerdem trägst du eine viel größere Verantwortung als ich, nämlich die für den Stab Haschevet. Aber nun lass uns wieder nach oben gehen. Du siehst aus, als könntest du jetzt wirklich etwas Wärme vertragen.«
    »Einen Moment noch«, hielt Yonathan den Prinzen zurück. »Es geht um das ›Zeichen‹, wie du es vorhin nanntest.« Yonathan bemerkte Felins fragenden Blick und er fügte erklärend hinzu: »Das blutrote Wasser, das den Kaiser seinerzeit veranlasste den Befehl zum Angriff auf Grantors Belagerungstruppen zu

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