Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
geben.«
Der Prinz nickte. »Willst du etwa sagen, dass du die Ursache dieser Erscheinung kennst?«
»Wahrscheinlich ja«, bestätigte Yonathan und er erzählte Felin in kurzen Worten, wie er das Verborgene Land durchquert und durch Din-Mikkith vom Angriff auf das Behmisch-Volkes erfahren hatte. »Ich weiß«, schloss er, »das Blut der vielen ermordeten Behmische hätte sich auf dem langen Weg vom Drachengebirge bis nach Cedanor im Wasser verlieren müssen, aber ich glaube, dass Yehwoh dies verhindert hat. Blut ist ein heiliges Symbol für Leben. Weil das zu Unrecht vergossene Blut des grünen Volkes hier unten entdeckt wurde, konnte an Grantor und seinen Horden das Gericht vollzogen werden. Die Blutschuld, die sie auf sich geladen hatten, wurde so gesühnt.«
»Auch wenn man das begangene Unrecht dadurch leider nicht mehr ungeschehen machen konnte«, pflichtete Felin düster bei. »Aber vielleicht ist das der Grund für den Schimmer.«
Yonathan blickte den Prinzen verwirrt an. »Welchen Schimmer?«
»Es gibt da ein Leuchten, wenn man ein Stück weiter den Fluss hinaufgeht, ein karminrotes Licht. Ich selbst habe es einmal gesehen. Es verbreitet eine merkwürdige Stimmung in der Höhle – lockend und beängstigend zugleich. Man sagt, es sei ein übernatürliches Mahnmal, das an den Tag erinnert, als man das blutige Wasser entdeckte und sich gegen Grantors Belagerungsheer erhob. Seltsam nur, dass man in den ältesten Aufzeichnungen aus der Zeit der Belagerung nichts darüber findet.« Felin zuckte die Achseln. »Wie auch immer, ich habe nie große Lust verspürt die Stelle ein zweites Mal aufzusuchen. Möchtest du das Licht einmal sehen, Yonathan?«
»Nein, danke«, wehrte der Gefragte ab. »Mir genügt, was ich gehört habe.« Felins Erzählung hatte Yonathan nachdenklich gestimmt. Warum sollte Yehwoh hier unten, an einem Ort, der so selten von Menschen aufgesucht wurde, ein solches Licht unterhalten? Aber selbst wenn es einen Zusammenhang mit dem Blut des grünen Volkes gab, hatte er wenig Lust es anzuschauen.
Nach kurzem Schweigen sagte der Prinz: »Deine Begegnung mit Din-Mikkith zeigt mir, dass man die Hoffnung nie aufgeben darf. Grantors Sieg über die Behmische verliert dadurch ein wenig von seiner grausamen Vollkommenheit.«
»Wenn er auch nur aufgeschoben ist«, schränkte Yonathan ein.
»Mit Din-Mikkith wird auch der letzte Behmisch von dieser Welt verschwinden.«
Felin lächelte. »Weißt du das? Selbst deinem Freund Din-Mikkith könnte ein Teil der ganzen Wahrheit verborgen sein. Die Hoffnung ist wie eine Tamariske: Sie ist selbstgenügsam und gedeiht sogar in einer dürren, kargen Wüstengegend und sie hat schon manchem mutlosen und erschöpften Wanderer Kraft gegeben, indem sie ihm Schatten spendete.«
»Von dieser Seite habe ich Din-Mikkiths Geschichte noch nie betrachtet«, gab Yonathan zu.
»Dazu sind Freunde doch schließlich da. Sie hören zu und helfen die Dinge von verschiedenen Seiten zu betrachten.«
»Du erinnerst mich an etwas, worüber ich nachgedacht hatte, als wir hier hinunter stiegen. Komm, lass uns schnell wieder nach oben klettern.«
Felin löschte die Fackel und flüsterte Yonathan zu: »Sei jetzt ganz leise. Wir wollen unseren Kerkermeister ein wenig überraschen.«
Sie standen vor einem Alkoven, der von einem seltsam fahlen Licht beleuchtet wurde. In der zum Gang hin offenen Nische standen eine Pritsche, ein grob geschreinerter Tisch und davor ein hochbeiniger Stuhl, auf dem ein spindeldürres, grauhaariges Männchen saß. Der kleine Mann trug warme Kleidung aus derber Wolle und schien gerade ein Nickerchen zu machen.
»Aller Friede sei mit dir, Belvin«, grüßte Felin in einer Lautstärke, die wenig Rücksicht auf das Ruhebedürfnis des Männleins nahm.
Belvin fuhr erschrocken herum und sprang auf die Beine, sodass der hohe Stuhl hinter ihm zu Boden schepperte. Das Männchen sah kaum größer aus, jetzt, wo es vor dem Prinzen stand. »Was habt Ihr den armen Belvin erschreckt!«, knarzte es mit hoher Stimme. »Oh, es ist der junge Prinz Felin. Und er hat jemanden mitgebracht.« Er musterte Yonathan von oben bis unten und rieb sich geschäftstüchtig die Hände. Dann reckte er dem Prinzen ein spitzes Kinn entgegen und fragte: »Wie kommt es, dass man Ihn nicht gehört hat? Die Tönenden Bohlen hätten sich doch melden müssen.«
»Wie es scheint, hast du geschlafen.«
»Geschlafen? Nie und nimmer!«, beteuerte Belvin. »Nachgedacht hat man. Hier unten gibt es viel
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