Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
Ortes, beruhigte er sich selbst. Während er sich eng an die Felswand schmiegte, suchte er ein Gespräch mit dem Prinzen.
»Es ist ziemlich finster hier.«
Felin schien die innere Not seines jungen Begleiters zu spüren. Er lächelte aufmunternd: »Kein Wunder, wir befinden uns mitten im Palastberg.«
Yonathan glaubte in dem Gesicht des Prinzen fast so etwas wie Zuneigung zu sehen. Wäre dieser junge Mann wirklich fähig ihn hinters Licht zu führen?
Wie zur Antwort hob Felin die Fackel und fügte hinzu: »Und außerdem sind wir am Ziel, Yonathan. Schau!«
Das unruhige Licht der Pechfackel wurde von Millionen feiner Kristalle reflektiert, die den riesigen Raum in ein Meer funkelnder Sterne verwandelten.
Erst jetzt bemerkte Yonathan, wie kalt es hier unten war. Ungewöhnlich kalt! Im flackernden Licht des Fackelscheins konnte er seinen dampfenden Atem sehen. Irgendwo im Hintergrund rauschte es laut. »Wo sind wir?«, fragte er.
»An der Wurzel des Palastberges«, erwiderte Felin in feierlichem Ton. »Jemand hat ausgerechnet, dass diese Stelle noch ein ganzes Stück unterhalb der Straßen von Cedanor liegt. Was du da überall glitzern siehst, sind Salzkristalle.«
Der Prinz ging einige Schritte nach rechts und hielt die Fackel direkt vor die Höhlenwand, sodass Yonathan ihre weiß blitzende Beschaffenheit in Augenschein nehmen konnte.
»So große Salzkristalle habe ich noch nie gesehen!«, staunte er.
»Es gibt wohl auch in der ganzen Welt keinen zweiten Ort, wo sie zu dieser Größe wachsen. Sie sind etwas Besonderes, nichts für den Suppentopf.«
Bei der Erwähnung von Suppen wurde Yonathan noch kälter. »Aber es muss doch ein Vermögen wert sein«, bibberte er.
»Das mag wohl stimmen, Yonathan. Aber dieser Ort ist, wie ich dir bereits verriet, geheim, obwohl ihn jeder kennt.«
»Ich habe mich vorhin schon gefragt, wie Ihr das wohl meint.«
»Kennst du die Geschichte von der letzten Belagerung Cedanors?«
Yonathan bejahte. Er erinnerte sich noch genau: Am Tage bevor er Kitvar verließ, hatte Navran über diese Geschehnisse gesprochen. Er hatte davon berichtet, wie Goel vor über zweihundert Jahren den damaligen Herrscher Temánahs, Grantor, immer weiter nach Norden gelockt hatte, bis das dunkle Heer schließlich von einem übernatürlichen Sturm zerstreut wurde. Grantor hatte nur eine kleine Streitmacht zur Belagerung Cedanors zurückgelassen, die schließlich durch eine List beendet worden war. Auch im Verborgenen Land hatte Yonathan von Din-Mikkith einiges über diese Ereignisse erfahren, in deren schlimmem Verlauf das Volk der Behmische ausgerottet worden war.
»Ist dir auch bekannt, wie es dazu kam, dass die Streitkräfte Cedanors die Belagerung schließlich brechen konnten?«, fragte Felin.
»Navran erzählte mir, dass ein Teil der Krieger Cedanors durch einen geheimen unterirdischen Tunnel hinter die Truppen Grantors gelangte. So konnten sie diese von zwei Seiten gleichzeitig angreifen und sie schließlich besiegen.«
Felin nickte. »Das ist die Geschichte, wie man sie sich überall erzählt. Sie ist auch richtig. Aber es fehlen einige Kleinigkeiten.
Da ist zunächst die Frage: Wie wählten die Männer in der belagerten Stadt den Zeitpunkt für ihren Gegenangriff? Es war nämlich so, dass man lange nicht wusste, ob es Goel wirklich gelungen war das Hauptheer Grantors weit genug wegzulocken. Ebenso gut hätte er ja in die Hände Grantors gefallen sein können. So zauderte man lange – bis etwas Außergewöhnliches geschah.« Felin deutete mit der Fackel in eine andere Richtung. »Komm mit dort hinüber«, sagte er. »Ich möchte dir etwas zeigen.«
Sie durchquerten das große, dunkle Gewölbe und liefen jetzt genau auf das Rauschen zu.
»Das hier ist ein unterirdischer Fluss. Manche sagen, er entspringe im Drachengebirge. Ich bin mir da nicht sicher. Immerhin liegt dieses Gebirge fast eintausendfünfhundert Meilen nördlich von Cedanor. Eines allerdings ist bemerkenswert an diesem Fluss. Halt einmal deine Hand hinein.«
Yonathan kam der Aufforderung nur zögerlich nach, so als könne jeden Augenblick ein Tier aus dem Wasser schnellen und nach ihm schnappen. Was Wunder, dass er erschrocken die Hand zurückriss, als er tatsächlich einen Biss spürte.
»Puh, das ist ja so kalt, dass es wehtut!«, prustete er und schüttelte die Hand, um das taube Gefühl wieder loszuwerden.
Felin lachte leise. »Keine Angst, so schnell bekommt man keine Frostbeulen. Aber jetzt siehst du, was ich meine.
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