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Nesser, Hakan

Nesser, Hakan

Titel: Nesser, Hakan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Perspektive des Gaertners
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dass sie sich nicht vorstellen kann, noch einmal
ein Kind zu bekommen. Was hat sie dazu bewogen, ihre Meinung zu ändern?«
    »Sie
ist schwanger geworden«, sage ich.
    »Ganz
einfach so?«, fragt Hertha Baussmann.
    »Ganz
einfach so«, bestätige ich. »Ist das nicht der Grund, der die meisten Frauen
dazu bringt, ein Kind zu gebären?«
    Sie
legt den Füller hin. Ich registriere, dass es ein Parker ist. »Und wenn wir
jetzt sozusagen einen Schritt zurück gehen: Was hat sie dazu gebracht,
schwanger zu werden? Verzeihung, ich meinte: schwanger werden zu wollen?«
    Ich
seufze. »Es tut mir leid«, sage ich. »Ich fürchte, jetzt sind wir an so eine
Grenze gelangt.«
    Sie
runzelt die Stirn und ist offensichtlich nicht zufrieden mit meiner Antwort.
»Was halten Sie eigentlich von unserem Gespräch?«, fragt sie. »Wissen Sie,
manchmal habe ich das Gefühl, Sie denken, es handelt sich hier um eine
Schachpartie, die Sie auf die ein oder andere Art gewinnen müssen.«
    »Ganz
und gar nicht«, erkläre ich. »Ich habe keinerlei Bedürfnis, zu gewinnen.«
     
    Ende
November, es war bei einem unserer letzten Treffen, aber nicht beim
allerletzten, stellte sie mir folgende Frage:
    »Wenn
Ihre Tochter tatsächlich wohlbehalten zurückkommen würde, was glauben Sie, wie
Ihre Ehefrau eine derartige Situation bewältigen würde?«
    Ich
erinnere mich, dass ich erwiderte, dass ich das aus zwei Gründen für eine
merkwürdige Frage hielte, zum einen, weil sie ganz eindeutig Winnie betraf,
wobei doch trotz allem ich eigentlich die Hauptperson in unseren Gesprächen
sein sollte zum anderen, weil ich fand, die Frage würde bereits eine negative
Antwort beinhalten.
    »Eine
negative Antwort?«, wunderte Hertha Baussmann sich.
    »Ich
habe das Gefühl, dass Sie so etwas andeuten.«
    »Was
andeuten?«
    »Dass
es Winnie in negativer Richtung beeinflussen würde, sollte Sarah zurückkommen.«
    Hertha
Baussmann widersprach dem entschieden. »Aber nein!«, protestierte sie. »Ich
dachte nur, es könnte sinnvoll sein, über diese Problematik nachzudenken. Es
kann ja trotz allem so kommen.«
    »Gewiss«,
erwiderte ich. »Diese Entwicklung ist gut möglich, oder etwa nicht?«
    »Gut
möglich«, stimmte mir Hertha Baussmann zu. »Und was meine Fokusierung auf Ihre
Ehefrau betrifft, so basiert sie natürlich auf Ihrer eigenen Fokusierung auf
sie. Es gibt drei Menschen in Ihrem Leben. Der erste ist Ihre verschwundene
Tochter Sarah, der zweite ist Ihre Ehefrau Winnie, die Sie auf Händen tragen,
und der dritte sind Sie selbst.«
    Ich
erwiderte nichts darauf, da ich es nicht als Frage ansah.
    »Der
dritte sind Sie selbst«, wiederholte sie und schaute mich mit strengem Blick
an, als wollte sie mir damit deutlich machen, dass es hier etwas zu lernen gab.
In gewissen Augenblicken erinnerte sie mich tatsächlich an die Schulleiterin
einer alten, ehrwürdigen Mädchenschule, diese Hertha Baussmann, und ich
entschied mich, sie vorsichtig ein wenig herauszufordern.
    »Vermutlich
eine richtige Beschreibung«, sagte ich. »Aber die umgekehrte Reihenfolge wäre
auch nicht besonders glücklich. Das ist zumindest meine Auffassung.«
    Sie
starrte mich eine Weile an, dann brach sie in ihr trockenes Lachen aus.
    »Wissen
Sie, Erik Steinbeck«, sagte sie und klappte ihren Block zu. »Ich bin überzeugt
davon, dass Sie sowohl sich wie die Welt mit Ihren Wortkünsten manipulieren
können und dass Sie alle Voraussetzungen dafür haben, aus dieser Geschichte mit
heiler Haut herauszukommen.«
    Das
gab mir das Gefühl, derart durchschaubar zu sein, dass ich keine Lust hatte,
weiter ihr Honorar zu bezahlen.
     
    18
     
    Mr.
Edwards sieht am Mittwochmorgen ein wenig müde aus - aber gleichzeitig
professionell und elektrisiert, und mir ist klar, dass er nichts dagegen hat,
ein Gastspiel auf eigenem Boden zu absolvieren.
    »Lassen
Sie uns einen Kaffee im Kitchen trinken«, sagt er. »Dann kann ich in aller Ruhe
berichten.«
    Wir
hasten die wenigen Meter durch einen Nieselregen zu Out
Of the Kitchen an der Ecke zur Hudson Street. Das Lokal
ist leer, es ist früher Vormittag, und wir lassen uns an einem Tisch am Fenster
zur Leroy nieder.
    »Ich
dachte, Sie würden gestern Nachmittag noch in die Bibliothek kommen«, sage
ich. »Ich war dort, bis sie geschlossen hat.«
    Er
nickt und löffelt Schaum von seinem Latte. »Ich hatte noch einen Arzttermin.
Glauben Sie nicht, ich hätte mich den ganzen Tag um Ihre Frau gekümmert.«
    Er
holt einen schwarzen Notizblock aus der Aktentasche

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