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Nessie und die Geister der MacLachlan

Nessie und die Geister der MacLachlan

Titel: Nessie und die Geister der MacLachlan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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Er war ein Tyrann, der junge Leute haßte. Allan Campbell, das war ein guter Mann, ein guter Junge, das kann ich jederzeit bezeugen, wenn wir auch nicht so viel beisammen sein durften wie beispielsweise ihr. Wir durften nicht allein in einem Zimmer sein, das hat Vater nicht erlaubt, und wir durften nicht einmal miteinander von der Schule heimgehen, denn er war ein Junge und wir waren Mädchen, und Vater war ein harter Mann. Erst, als Vater starb, als er uns allein zurückließ — Mutter, die damals noch immer eine junge Frau war, und uns zwei Schwestern, da hat er es selbst empfunden. ,Ich habe meinen Kindern nie Anlaß zum Lachen gegeben’, hat er dem Reverend gesagt, ,und Kinder sollten lachen, es ist für sie wichtiger als Brot.’ Er hat recht gehabt, wir haben nie gelacht, weil er ein Tyrann war. Kommt ein bißchen näher, daß mich Jessie nicht hören kann, sie geht nämlich ganz nach ihrem Vater. Sie kann noch so viel erzählen, was er für ein toller Kerl war. Zum Beispiel, daß er den Mont Blanc bestiegen habe — das ist ein ziemlich hoher Berg in Europa drüben — , aber das stimmt nicht, er ist nie oben gewesen, nur am Fuß des Mont Blanc, versteht ihr? Und ich sage euch, für die Kinder ist es einerlei, ob ein Vater in Europa war oder nur in Schottland geblieben ist. Es macht für sie nichts aus, ob er den Mont Blanc oder nur den Ben Nevis bestiegen hat. Und ich weiß nicht, was Jessie davon hat, wenn sie ihren Vater auf den Mont Blanc hinaufsetzt. Mit einem Wort, er kommt dadurch nicht mehr hinauf, er war nie oben.“
    Sie legte die beiden Sandwiches auf ein Brettchen und wünschte den Kindern guten Appetit. Dann aber sagte sie wieder etwas lauter: „Und was schließlich das Allerwichtigste ist, die alte Sarah, die große Sarah MacLachlan, die wirklich in die Herzen der Menschen sehen konnte, die vererbte ihm nichts. Er als einziger ging leer aus. Nicht einmal erwähnt hat sie ihn in ihrem Testament. Das ist die Wahrheit. Sie hat an alle gedacht, an die bucklige Wäscherin und an den einfältigen Pferdeknecht, nur diesen gescheiten und großsprecherischen Iain MacLachlan bedachte sie mit nichts. Schmeckt es euch?“ fragte sie dann unvermittelt. „Nicht wahr, es muß euch schmecken? Ich hab mir wirklich Mühe gegeben, und es ist kein Fleisch von tiefgefrorenen Hähnchen, sondern von frisch geschlachteten. Wollt ihr noch etwas trinken? Soll ich vielleicht noch frischen Tee machen?“
    „Nein, nein, danke!“ riefen die beiden wie aus einem Mund.
    Dann erzählte Goody ihr von der heutigen Begegnung mit der kleinen Sarah, als sie mit Mac telefonierte.
    „Oh, wie nett!“ rief Tante Sarah. „Ja, die ist oft bei uns. Manchmal stolpert man geradezu über sie, weil sie sich einem in den Weg stellt. Aber sonst ist sie sehr lieb. Ein richtiger kleiner Sonnenschein. Wenn man dagegen das Lachen nimmt...“ Sie stand da, und es wirkte, als sähe sie etwas in großer Entfernung. „Ja“, sagte sie, „ich wollte noch etwas sagen über Nessie...“
    Weiter kam sie nicht, denn Jessie riß die Tür auf und schrie: „Der Colonel möchte fahren. Komm, hilf mir, wir müssen ihn wieder auf sein Motorrad setzen.“

Die schreckliche Nacht

    Das war wieder ein Tag gewesen! Kein Nessie, dafür das Kaninchen in der Schlinge, der sich in Rauch und Luft auflösende Jocelyn auf dem Weg, dann die kleine große Sarah in ihrem weißen Kleidchen, schließlich Iain MacLachlans Lachen im Haus. Cedric wunderte sich nicht, daß jemand an der Badezimmertür kratzte, als er sich die Zähne putzte.
    „Ja?“ fragte er. „Wer ist’s?“
    „Ich bin’s, Goody. Darf ich reinkommen?“
    Er öffnete die Tür und erklärte Goody, daß er gerade beim Zähneputzen sei. Goody fand das gut und setzte sich — schon im bodenlangen Nachthemd — auf den Rand der schweren emaillierten Badewanne.
    „Weißt du, was ich gerade gedacht habe?“ fragte Goody. „Nein“, sagte er und spuckte aus.
    „Mir ist etwas aufgefallen.“
    „Und was?“
    „Immer, wenn wir ins Zimmer kommen, nimmt der Colonel gerade einen Schluck aus dem Whiskyglas.“
    „Na und?“
    „Er könnte das Glas ja auch einmal vor sich auf dem Tisch stehen haben oder absetzen. Weißt du, was ich denke?“
    „Nein.“
    „Er kann sich vielleicht genauso in Luft auflösen wie der alte Jocelyn Webb!“
    „Noch ein Geist?“ rief Cedric. „Nein, das glaub ich nicht, das ist zuviel.“
    „Aber ich hab das Mädchen in Weiß genauso deutlich gesehen wie ihn.“
    „Ich ja

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