Nesthäkchen 01 - Nesthäkchen und ihre Puppen
sie mir doch noch ein bißchen, ich habe sie ja so selten«, sagte sie und zog Nesthäkchen an sich.
So mußte Annemarie aus nächster Nähe mit ansehen, wie sich Tante die Brezel schmecken ließ. Wieder reichte Mutti der Tante den Kuchenkorb, wieder zitterte Klein-Annemaries Herzchen.
Tante Albertinchen griff, während sie sich mit Mutti weiter unterhielt, ohne hinzusehen, nach dem Kuchen.
Nesthäkchens Augen wurden ganz weit.
Da lag er, der schöne Mohrenkopf - auf Tante Albertinchens Teller! Grenzenlose Enttäuschung quoll in Klein-Annemarie empor, mit tränenerstickter Stimme rief sie: »Mein Mohrenkopf - das ist meiner!«
Tante Albertinchen jedoch wandte sich freundlich um.
»Ach, den wolltest du wohl haben?« Und mit gütigem Lächeln reichte sie der Kleinen ihren Teller mit dem ersehnten Mohrenkopf.
Da aber legte sich Mutti ins Mittel.
»Annemarie hat heute keinen Kuchen verdient, sie war zu unartig! Ich hatte ihr die Marzipankartoffel verwahrt, aber das ist nur was für artige Kinder!«
So viel auch das gute Tante Albertinchen für Nesthäkchen bat, Mutti blieb fest.
Die Marzipankartoffel bekam Hans, und der Mohrenkopf, den Tante Albertinchen nun auch nicht mehr essen mochte, wanderte in den Magen von Klaus.
Knabber- knabber- Mäuschen
Selten hatte auf Annemarie eine Strafe solchen nachhaltigen Eindruck gemacht, wie der Verlust des Mohrenkopfes. Ihr liebstes Spiel war seitdem: Konditor.
Annemarie machte einen Knoten in jede Ecke ihres Taschentuches, da hatte sie die feinste Konditormütze.
Auf dem Ladentisch gab es Sandtorten in allen Größen, jeden Tag im Tiergarten frisch gebacken und dick mit Zucker bestreut. Aus einem Apfel fabrizierte Annemarie Apfelkuchen, Apfelstrudel und Apfeltorte in ihrer kleinen, runden Blechform. Aus Pappe wurden kleine Törtchen ausgeschnitten und mit Kirschkernen belegt. Schokoladenplätzchen ergaben Schokoladentorten, statt Marzipankartoffel wurde eine richtige kleine Kartoffel auf durchbrochenem Tortenpapier ausgestellt. Aber der Mohrenkopf - wo sollte sie den bloß hernehmen? Da fiel Nesthäkchens Blick auf Fräuleins Strumpfkorb.
Das braune Wollknäuel dort, das gab ja einen prächtigen Mohrenkopf.
Nun konnte das Spiel beginnen. Der Herr Konditor setzte seine Mütze auf und stellte Puppentischchen und Puppenstühle zurecht, falls jemand in der Konditorei Kaffee oder Schokolade zu trinken wünschte.
Klinglingling - da ging ja schon die Türschelle. Die erste Kundin kam herein. Es war Irenchen, aber sie stellte eine alte Dame vor und sprach mit zitternder Stimme.
»Was wünscht die gnädige Frau?« Der Herr Konditor dienerte höflich bis zur Erde.
»Ich möchte ein Kirschtörtchen mit Schlagsahne«, bestellte die alte Dame und zitterte sehr mit der Stimme.
»Jawohl - gnädige Frau - bitte einen Augenblick, Schlagsahne wird sogleich frisch geschlagen!«
Die alte Dame nahm an dem kleinen Tischchen Platz, und der Konditor raste zur Waschtoilette. Dort schlug er mit seinem kleinen Schneeschläger aus der Puppenküche im Seifennapf herrlichen Seifenschaum. Der wurde über das Kirschtörtchen aus Pappe gekleckst und serviert.
Der Herr Konditor aber hatte schon wieder neue Kunden zu bedienen.
Diesmal war es ein niedliches, kleines Schulmädchen. Gerda hieß es und hatte Irenchens Schulmappe aufgeschnallt. Aber da gleich hinterher noch ein schönes Fräulein die Ladenglocke in Bewegung setzte, die sogar einen roten Sonnenschirm hatte, bediente der Herr Konditor erst das Fräulein; denn Kinder können warten.
»Was bekommt die Dame?« wandte er sich höflich an die Zuletztgekommene.
»Für zwanzig Pfennig Streußelkuchen«, verlangte das Fräulein und zeigte mit der Porzellanhand auf den Apfelkuchen.
»Das ist Apfelkuchen, meine Dame, darf es der vielleicht sein?« fragte der Konditor.
»Ja, bitte, ich bin nämlich so kurzsichtig«, entschuldigte sich Mariannchen mit den verklebten Augen; denn sie war das schöne Fräulein.
»Sonst noch etwas gefällig, meine Dame?«
»Schicken Sie mir für morgen noch eine Schokoladentorte, mein Name ist Fräulein Magenweh, gleich um die Ecke - adieu«, damit verschwand das Fräulein.
Der Herr Konditor wandte sich dem kleinen Mädchen zu.
»Nanu, Kleine, warum weinst du denn?« fragte er erstaunt.
»Weil ich gar nicht drankomme, ich war viel eher da als Fräulein Magenweh - und wenn Sie alle Ihre Kunden so schlecht bedienen wie mich, dann gehen wir einfach zu dem neuen Konditor in der andern Straße.«
»He«,
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