Nesthäkchen 01 - Nesthäkchen und ihre Puppen
sagte der Herr Konditor, mit Recht empört, »geh doch - geh - aber soviel Kuchenkrümel gibt's da nicht für'n Sechser wie hier bei mir.«
Das schien auch Puppe Gerda einzusehen; denn sie kaufte, obgleich sie so geschimpft hatte, ihre Kuchenkrümel doch lieber in diesem Laden.
Nachdem das dreiste Ding die Konditorei verlassen hatte, kam eine ganze Weile gar keiner. Der Herr Konditor ließ sich müde auf einen Stuhl nieder und verzehrte zur Erfrischung selbst eine ganze Schokoladentorte.
Klinglingling - da klingelte es wieder. Ein Herr war es, ein Ausländer. Er war schwarz und hieß Herr Lolo.
Sein Töchterchen hatte er auch mitgebracht. Die Mutter des Kindes mußte wohl eine Deutsche sein. Denn das Kleine war lange nicht so schwarz wie der Mohrenpapa.
»Was willst du essen, mein Herzchen?« fragte der Afrikaner liebevoll sein Töchterchen.
»Mohrenkopf mit Schlagsahne«, verlangte das kluge Baby, obwohl es erst ein halbes Jahr alt war. »Und der Herr? Vielleicht eine Tasse Schokolade gefällig?« fragte der kleine Konditor.
Der Herr überlegte einen Augenblick.
»Nein, bringen Sie mir eine Portion Vanilleeis.«
Der Herr Konditor brachte Eis, Mohrenkopf und Schlagsahne herbei, irrte sich aber und tat sie, statt über den Mohrenkopf auf dem Teller, über Herrn Lolos Mohrenkopf!
Herr Lolo schrie und schimpfte und lief aus der Konditorei fort, ohne zu bezahlen. Sogar sein Baby vergaß er im Ärger.
Da erschien Kurt, ein niedlicher kleiner Junge, mit einem Körbchen am Arm.
»Ein Brot mit Kümmel, aber kein altes«, forderte er und legte auch zugleich das Geld auf den Tisch.
Der Herr Konditor sah sich ratlos in seinem Laden um - Herrgott, das Brot war ja alle geworden!
»Einen Augenblick, mein Söhnchen, ich hole ganz frisches aus meiner Backstube«, und eilig ging es hinunter in die Küche.
»Hanne, liebe Hanne -« aber die Küche war leer.
Der kleine Konditor lief selbst an den Brotkasten in der Speisekammer, und weil er kein Messer anfassen durfte, bohrte er mit seinen Fingerchen ein großes Stück Krume aus dem zum Glück schon durchgeschnittenen Brot.
Kurt hatte das sauber in Papier geschlagene Brot gerade in seinem Körbchen untergebracht, da erschien ein vierfüßiger Kunde in der offen gebliebenen Ladentür. Er lief sofort an den Ladentisch, auf dem die schönen Sachen alle so verlockend aufgebaut standen, und legte die Hände, die in weißen Pelzhandschuhen steckten, auf die Apfeltorte.
»Die Waren dürfen nicht berührt werden!« sagte der Konditor aufgebracht.
Aber der Herr ließ sich nicht stören. Ja, er hatte sogar die Unverschämtheit, ein Stück Kuchen nach dem andern zu beriechen.
»Was wünschen Sie, mein Herr?« fragte der Konditor. Die Wahl schien dem Herrn schwer zu werden. Schließlich wußte er, was er wollte. Er machte kurzen Prozeß.
Schwapp - da hatte Herr Puck die größte Schokoladentorte mit dem Mund vom Ladentisch wegstibitzt und lief damit eilig aus der Konditorei. »Mutti - Mutti - meine Schokolade - meine schönste Schokoladentorte!«
Der Herr Konditor eilte schreiend hinter dem Dieb her.
Aber Mutti war nicht in ihrem Zimmer, die hatte Hanne soeben in die Speisekammer geholt, um ihr zu zeigen, daß unbedingt eine Maus dort sein müsse. Sie habe ein großes Loch ins Brot gefressen.
»Ja, wirklich, Hanne, das beste ist, Sie stellen eine Mausefalle auf«, meinte Frau Doktor Braun.
»Ne, erst mache ich selber Jagd auf die Maus, die ist sicher noch hier in der Speisekammer; denn heute mittag war das Brot noch ganz heil.« Damit begann Hanne voll Jagdeifer die Vorratstonnen und Gläser mit eingemachten Früchten auszuräumen.
Da erschien Nesthäkchen mit der Konditormütze.
»Nanu, was ist denn hier los, ziehen wir aus?« fragte sie neugierig.
»Ne, aber wir haben 'ne Maus hier in der Speisekammer.« Hanne schleppte Wein- und Bierflaschen heraus, kein Stück ließ sie an seinem Platz.
»Eine Maus - eine Maus!« jubelte Nesthäkchen. - »Eine Maus - eine Maus!« Das war ja wundervoll!
Annemarie half geschäftig beim Auskramen der Speisekammer, zerschlug dabei den Deckel von der Reistonne, ließ die Zwiebeln alle aus dem Zwiebelnetz rollen, tauchte heimlich das Fingerchen in die Zuckertonne - und zeigte sich auf diese Weise äußerst nützlich.
»Wenn ich die Maus aber kriege, der soll's schlecht gehen - mir solche Arbeit zu machen!« schimpfte Hanne.
»Was tun Sie denn dann mit ihr, Hanne?« fragte Annemarie neugierig.
»Die wird bei lebendigem Leibe ersäuft!«
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