Nesthäkchen 02 - Nesthäkchens erstes Schuljahr
Lehrerin die Hundesprache nicht verstand.
Er blaffte lauter, weil er sich besser verständlich zu machen glaubte. Und als dies noch nichts nützte, sprang er plötzlich mit einem Satz auf das Pult, um sich Gehör zu verschaffen.
Laut auf kreischten die Kinder, und Fräulein Herings Geduld war nun erschöpft.
»Bringe den Hund zum Hausmeister, daß er ihn inzwischen in Gewahrsam nimmt«, befahl die Lehrerin.
Traurig zog Klein-Annemarie mit dem Hündchen ab.
Puck war aus der Klasse gejagt worden - die Schande! Das Hündchen schien dies weniger tief zu empfinden als seine kleine Herrin. Die Freiheitsberaubung bereitete ihm anscheinend viel größeren Schmerz. Er faßte plötzlich einen verzweifelten Entschluß und kniff aus.
Hops -da war er herunter von Annemaries Ärmchen, hoppla -da jagte er, was er nur konnte, die Treppen wieder hinauf. Mit lautem Gebell freudigster Genugtuung ging es durch die stillen Flure und Korridore der Schule.
In größter Aufregung stürmte Nesthäkchen hinter dem Flüchtling drein.
Soviel die Kleine auch rief und befahl: »Puck - Puckchen, hierher!« - alles umsonst.
Puck hatte sämtliche Bande der Wohlerzogenheit und des Gehorsams abgestreift.
Die Klassentüren öffneten sich. Lehrer und Lehrerinnen erschienen mit entrüsteter Miene auf der Türschwelle, um der Ruhestörung auf den Grund zu kommen.
Wie kam ein Hund in die Mädchenschule?
Puck hatte indessen außer den Klassen jedem Winkel der Schule seinen Besuch abgestattet. Jetzt ging die wilde Jagd geradewegs ins Direktorzimmer, das bei dem tollen Tumult natürlich nicht geschlossen blieb. Da aber ereilte Puck das Verderben.
Ein jüngerer Lehrer, der sich an der Verfolgung beteiligt hatte, faßte das weiße, blaffende Wollknäuel im Genick und schüttelte es tüchtig.
»So, Bürschchen, wirst du wohl Ruhe geben!«
Aber das fiel dem Gefesselten nicht im Traume ein. Er bellte noch viel wütender und schnappte sogar nach den Fingern des Lehrers.
Kaum konnte der Herr Direktor dabei den Sachverhalt von der atemlosen Annemarie erfahren.
Der Lehrer brachte das Hündchen jetzt selbst in den Keller hinunter, damit es nicht wieder Fluchtversuche machte.
Annemarie kam mit einem Verweis und der ernsten Mahnung davon, künftig besser acht auf ihren Hund zu geben, daß er ihr nicht wieder zur Schule folgte.
Die Schülerinnen der ganzen Schule aber hatten sich alle ganz köstlich bei dem außergewöhnlichen Konzert amüsiert.
Der Hausmeister versprach, den fortgejagten Schüler bei sich aufzunehmen, und die kleinen Blondköpfe in der Hausmeisterwohnung waren selig über den Spielgefährten. Der aber hätte lieber der Rechenstunde bei Fräulein Hering beigewohnt. Er winselte, jaulte und blaffte, daß man's durch die ganze Schule hörte.
In der Zwischenpause lief Annemarie sofort in die Kellerwohnung des Hausmeisters. Sie teilte ihr Frühstücksbrot getreulich mit dem armen vierfüßigen Gefangenen.
Dankbar leckte Puck ihr die Händchen.
Plötzlich erschien Margot schüchtern in dem dämmerigen Gang.
»Ich habe eine Flasche Milch mit«, sagte die verfeindete Freundin verlegen, »wenn du vielleicht für Puck etwas davon haben willst?«
Da quoll die mühsam zurückgehaltene Liebe auch in Klein-Annemaries Herzchen empor. Sie schlang die Arme um die Freundin, küßte sie ungestüm und bat dabei: »Habe mich wieder lieb!«
Ach, wie gern tat das Margot. Auch ihr hatte ja die vierundzwanzigstündige Feindschaft mit Annemarie das Herz abgedrückt. Neben Puck standen die Wiederversöhnten, liebevoll umschlungen, während das Hündchen sich seine Milch schmecken ließ.
Diesen Mittag zogen Annemarie und Margot nicht hüben und drüben heimwärts. Arm in Arm sprangen sie mit seligen Gesichtern dahin. Ihnen voran der wieder glücklich der Gefangenschaft entronnene Puck.
»Weißt du, Margot«, flüsterte Annemarie der Freundin beim Abschied ins Ohr, »es war doch fein, daß Puck heute in die Schule gekommen ist. Sonst wären wir beide am Ende nie mehr gut geworden!«
Wer wird Erste?
Es war gar nicht so leicht für die kleinen Abc-Schützen, ruhig und emsig in der Klasse über den Büchern zu sitzen, während die goldene Frühlingssonne vom Himmel lachte.
Bis zu den großen Buchstaben waren die Schlauköpfchen inzwischen schon vorgedrungen. Annemarie buchstabierte, wo sie nur einen beschriebenen Fetzen Papier fand. Zu Hause wurde sie deshalb oft von den größeren Brüdern ausgelacht.
Seit sie nun noch gar die Bekanntschaft der
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