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Nesthäkchen 02 - Nesthäkchens erstes Schuljahr

Nesthäkchen 02 - Nesthäkchens erstes Schuljahr

Titel: Nesthäkchen 02 - Nesthäkchens erstes Schuljahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Das war ein Ereignis. Besonders, da Fräulein Hering die Kinder nach der Fehlerzahl setzen wollte. Mit heißen Wangen schrieben die kleinen Mädchen »Beil -Maus - Igel«, und wie die schönen Worte aus der Fibel alle hießen.
    »Pfui, Hilde, wer guckt denn ab! Auf das Heft der Nachbarin darf man nicht schielen, denn das ist unehrlich«, unterbrach die Lehrerin plötzlich ernsthaft ihr Diktat.
    Hilde Rabe senkte den Kopf. Aber es dauerte nicht lange, da ließ sie ihre Augen wieder zum Heft des neben ihr sitzenden Mariannchen spazieren, welches jedoch schon aus Vorsicht das Löschblatt vorhielt.
    Diesmal gab es keinen Verweis, sondern Fräulein Hering holte das Schielbökchen nach vorn aufs Pult. Dort konnte die Hilde beim besten Willen nicht abschreiben, wenn sie auch ihren Hals noch so sehr reckte.
    O die Schmach!
    Alle Kinder sahen auf sie. Aber sie schien die Schande nicht übermäßig zu empfinden. Ja, als Fräulein Hering ihr den Rücken wandte, schnitt sie sogar Annemarie eine Grimasse zu.
    Die mußte über das ulkige Gesicht lachen.
    Fräulein Hering wunderte sich über die beim Diktat nicht recht angebrachte Lustigkeit, besonders, da sie gerade das Wort »weinen« diktierte.
    »Ei, Annemie, weshalb freust du dich denn so über dieses Wort?«
    Die Kleine sprang, rot wie eine Mohnblume, von ihrem Sitz auf.
    Aber sie antwortete nicht. Nesthäkchen wußte von den größeren Brüdern, daß Klatschen gemein ist, und Klaus hatte erst gestern einen Jungen aus seiner Sexta einen »Petzerich« genannt. Nein - Klein-Annemarie verriet Hilde Rabe nicht.
    Da aber meldete sich Ruth, und als Fräulein Hering sie fragte, was sie wolle, antwortete sie mit lauter Stimme: »Hilde Rabe hat ein Gesicht geschnitten!«
    »Pfui, so 'ne olle Petze!« entfuhr es Annemarie verächtlich.
    Fräulein Hering wandte sich zu Ruth und sagte halblaut: »Die Angeberin muß man nie spielen, das ist nicht nett, Kind!«
    Ruth, die geglaubt hatte, noch obendrein gelobt zu werden, wurde jetzt ebenfalls rot wie Annemarie vorhin. Das Diktat aber konnte nun seinen Fortgang nehmen.
    Die Erste einer jeden Bank sammelte die Hefte ein und brachte sie der Lehrerin auf das Pult.
    Schon in der letzten Stunde gab Fräulein Hering die Diktate korrigiert zurück.
    »Also null Fehler hat nur eine einzige geschrieben«, begann die Lehrerin.
    Hundert Kinderohren spitzten sich begierig, denn jede der Kleinen glaubte sicher, selbst diese »Einzige« zu sein.
    »Das beste Diktat hat Annemarie Braun, setze dich als Erste«, fuhr Fräulein Hering fort. »Juchhe!« schrie Nesthäkchen voll Seligkeit, obwohl es längst wußte, daß man solche Freudensäußerungen in der Schule zu unterlassen hatte.
    »Freu dich leise, Annemarie«, mahnte denn auch die junge Lehrerin in ihrer gewinnenden Art, »und ein andermal streiche beim Diktat nichts aus. Heute habe ich nur nach den Fehlern gesetzt, künftig wird auch nach Sauberkeit und Schrift die Rangordnung gemacht.«
    Mit glückstrahlenden Augen nahm die Kleine den Ehrenplatz in der Klasse ein.
    Ach, was ist das für ein wunderbares, stolzes Gefühl, Erste zu sein! Die Zweite wurde Mariannchen, Margot erst die Fünfte. Sie hatte Hund mit t statt mit d geschrieben und heb mit einem p am Schluß. Da wurden wieder die Tränenschleusen aufgezogen. Margot heulte, weil sie herunterkam, und weil sie nun nicht mehr neben Annemarie saß.
    Hilde Rabe hatte trotz Abgucken das schlechteste Diktat geschrieben und kam als Letzte. Neunzehn Fehler, in jedem Wort einer, manchmal sogar zwei.
    »Du wirst schon wieder raufkommen, Margotchen«, tröstete Annemarie die Freundin auf dem Heimweg. »Das nächste Mal geht es auch nach Sauberkeit, dann bist du sicher besser als ich.«
    Margots betrübtes Gesicht wurde hoffnungsvoller. Und als im Tiergarten plötzlich rrrrrr -rrrrrr -ein Luftschiff über den Bäumen dahinsegelte, ganz tief, daß die Kinder die winkenden Passagiere erkennen konnten, war sie vollends getröstet und brüllte mit Annemarie um die Wette: »Hurra!«
    »Wenn ich doch bloß mal mit dem Zippel-Zappel-Zeppelin mitfahren dürfte!« Nesthäkchen sah sehnsüchtig hinter dem Luftschiff her. »Das müsste lustig sein, auf all die Menschen und Häuser hinabzublicken.«
    »Ich würde mich halbtot ängstigen«, sagte die schüchterne Margot und schüttelte furchtsam das Köpfchen.
    Als Annemarie daheim anlangte, wußte sie nicht, welche Neuigkeit sie Mutti zuerst entgegenschmettern sollte. So kam es, daß sie in ihrer Aufregung alles

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