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Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Titel: Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Reisegenossin einzuwenden. Vielleicht half die alte Lieblingspuppe ihrem Herzblatt ein wenig über die Trennung hinweg.
    Großmama, die gekommen war, um ihrem Liebling Lebewohl zu sagen, wollte Nesthäkchen überhaupt nicht wieder aus den Armen lassen. Bis zum letzten Tage hatte sie gehofft, daß sich die »verdrehte Idee« mit dem Winteraufenthalt an der Nordsee nicht verwirklichen würde.
    Mit freudigem Stolz zeigte Annemarie der Großmama ihr Reisegepäck. Und als die gute Großmama ihr gar noch einen Kasten Briefpapier mit Märchenbildern überreichte, damit sie ihr ab und zu mal ein Briefchen schreiben konnte, war Nesthäkchen auf dem Gipfel aller Seligkeit. Annemarie fand es höchst angenehm, noch unvermutete Geschenke einzuheimsen. Lena hatte ihr in aller Eile einen blauen Badeanzug mit weißem Anker für Puppe Gerda genäht, genau solchen, wie Annemarie bekommen hatte. Dazu einen Bademantel mit Kapuze. Hans verehrte ihr seinen alten Tuschkasten, der noch nicht sehr abgenutzt war. Und Klaus, der wollte natürlich auch nicht zurückstehen. Von seinen Spielen konnte er nichts verschenken. Die waren alle kurz und klein. Geld, irgendetwas zu kaufen, besaß er nicht. Aber hatte Vater unter all den Probemitteln, die ihm zugesandt wurden, nicht auch ein Schächtelchen mit Pralinen stehen? Klaus, der überall herumschnüffelte, hatte sie vor einigen Tagen entdeckt. Leider war er durch Muttis Eintritt nicht mehr dazu gekommen, zu probieren. Denn Naschen war seine Lieblingsbeschäftigung.
    Jetzt aber erinnerte er sich der Pralinen. Vater dachte sicher gar nicht mehr an das Schächtelchen, und Annemarie würde sich gewiß freuen. Zehn Stück waren drin, der Schlingel teilte sie mit dem Schwesterchen. »Da Annemie«, eine Praline nach der anderen schob er ihr und sich abwechselnd in den Mund, »da, das schenke ich dir zum Abschied.«
    Eigentlich mundeten sie Annemarie nicht besonders. Die Schokolade war ja ganz schön, aber die Füllung schmeckte greulich. Doch sie mochte Klaus, der sie ihr verehrt hatte, nicht durch eine Ablehnung beleidigen. So zwang sie sich die fünf Schokoladendinger hinein.
    Am nächsten Tag aber befanden sich die beiden Sprößlinge von Doktor Braun in einem bejammernswerten Zustand, die Pralinen waren mit - Rizinusöl gefüllt gewesen.
    Annemaries Reise mußte um einige Tage verschoben werden und auch die Keile, die Klaus vom Vater für sein Heldenstück versprochen worden war.
    Schließlich aber ging es Annemarie besser, und man konnte abreisen. Annemarie streckte, mit dem Weinen kämpfend, immer wieder die Hand aus dem Eisenbahnfenster dem untenstehenden Vater zum Abschied entgegen. Doktor Braun, selbst bewegt, drohte seinem Töchterchen liebevoll: »Tapfer sein, ganz tapfer, denke an dein Versprechen, meine Lotte!«
    Der Eisenbahnzug setzte sich so plötzlich und unvermutet in Bewegung, daß Nesthäkchen nun doch, trotz aller Tapferkeit, in Tränen ausbrach und das Gesicht rasch hinter ihrer Puppe verstecken mußte. Nur Gerdas Zelluloidhand winkte dem zurückbleibenden Vater einen Abschiedsgruß zu.

Nesthäkchens Seereise
     
    Kindertränen trocknen schnell. Besonders, wenn Mutti neben einem sitzt und einen tröstend in die Arme nimmt.
    Und kann man denn überhaupt noch traurig sein, wenn man an einem schönen Sommernachmittag im lustig ratternden Eisenbahnzug durch die Welt saust? Die grünen Wiesen, mit goldgelben Dotterblumen und tiefblauen Vergißmeinnicht, die weiten Felder, die wie Spielzeug dazwischen gestreuten Häuslein, Landleute und Kühe, das alles lachte die kleine Reisende so heiter an, daß sie selbst auch bald wieder mitlachte. Das umfangreiche Futterpäckchen, das Hanne »ihrem Kind« vorsorglich mitgegeben hatte, wirkte ebenfalls höchst aufmunternd. So war Nesthäkchen, als der Zug gegen Abend in die Bahnhofshalle der Stadt Hamburg brauste, so vergnügt, wie nur ein Kind sein kann, dem die Ferienfreiheit winkt.
    Sollte es doch heute nacht zum ersten Mal in einem richtigen Hotel schlafen, da das Schiff schon früh am anderen Morgen abfuhr. Mit scheuer Ehrfurcht hatte Nesthäkchen in Berlin stets die stolzen Portiers mit den goldbetreßten Röcken, die den Hoteleingang bewachen, bewundert. Und nun ließ ein solch vornehm aussehender Mann sie durch die sich drehende Glastür eintreten.
    Durch den mit Blumen und Palmen geschmückten Vorraum schritten Nesthäkchen und ihre Mutter zum Fahrstuhl. Der war ganz anders als die, welche Annemarie von Berlin her kannte. Es war ein

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