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Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Titel: Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Jubelgekreisch ihrer Kinder noch düstere Kriegsgedanken hegen konnten?
    O ja - dieses und jenes Kind wurde plötzlich aus dem frohen spielenden Kreis entfernt, und noch ehe das Kinderfest zu Ende war, saßen schon wieder so und so viele von den kleinen Gästen, die noch vor kurzem nichtsahnend ihre Schokolade getrunken hatten, auf dem heimwärts dampfenden Schiff. Ohne Weinen ging das freilich nicht ab, und daran waren die Eiltelegramme schuld, welche die Eltern erhielten.
    Das Kinderfest nahm inzwischen seinen Verlauf, wenn auch nicht ganz ungestört von diesen unvorhergesehenen Abfahrten.
    Wettspiele fanden statt mit Preisverteilung. Annemarie Braun wurde Siegerin im Wettlauf und erhielt ein prächtiges Bild von Wittdün. Dann wurden die am schönsten geschmückten Burgen prämiiert. Der Hauptpreis, in einem Tennisschläger bestehend, fiel einem Bremer Geschwisterpaar zu. Die hatten auf ihrer Burg die Bremer Stadtmusikanten aus Muscheln dargestellt.
    »Au, werden die sich um den Tennisschläger aber zanken«, meinte Annemarie zu Kurt, der den Spielern nur zuschauen durfte. Doch er tat es frohen Auges, er war glücklich, überhaupt dabeisein zu können. »Zweiter Preis - ein Gänsemädel!« erschallte es da von dem Geschenktisch mitten in die Unterhaltung der zwei hinein.
    »Wir - wir« - in höchster Aufregung wollte Nesthäkchen nach vorn stürmen. Da aber fiel ihr ein, daß sie ja eigentlich das wenigste an dem Gänsemadelbild gemacht hatte. Gerda war fort, und Kurt, den Hauptkünstler, wollte sie zurücklassen?
    »Hier - Kurt hat den Gänsemädelpreis gewonnen!« rief sie laut statt des schüchternen Knaben. Mit einigen kräftigen Stößen schob sie den Rollwagen durch die sich um den Preisrichter drängende Menge.
    Man überreichte Kurt mit anerkennenden Worten Andersens Märchen. Der Junge stammelte einen verlegenen Dank. Glückstrahlend blickte er auf das schöne Buch. Dann aber wandte er sich an die hinter ihm stehende Annemarie.
    »Da, Annemie, du hast ebensoviel Teil an dem Preis wie ich«, sagte er selbstlos.
    »Nee - i wo, keine einzige Gans stammt von mir, und dann habe ich ja auch schon das schöne Bild«, ereiferte sich Nesthäkchen. Da mußte sich Kurt wohl zufriedengeben.
    Als es dämmerte, erhielt jedes Kind eine bunte Stocklaterne. Und nun fand der Fackelzug mit Musik statt. Wie eine Kette von Leuchtkäferchen, so schlängelte es sich durch die Straßen Wittdüns. Allerlei Volkslieder spielte die Kapelle auf, und hell fielen die jungen Stimmen ein. Zuletzt erschallte »Wo die Nordseewellen trecken an den Strand« - die Klänge verschmolzen mit dem Lied des brausenden Meeres.
    War dies für lange Zeit das letzte Kinderfest gewesen? So fragte sich manch banges Herz an diesem friedlichen, in purpurner Schönheit ersterbenden Augustabend am Nordseestrand.

Auf der Flucht
     
    Es war merkwürdig still am nächsten Tag in Villa Daheim, die sonst von lauten, fröhlichen Kinderstimmen widerzuhallen pflegte. Bis auf Annemarie, Kurt und Klein-Annekathrein war das Haus kinderleer geworden. Aus allen Zimmern, aus allen Ecken, selbst draußen im Garten gähnte einem eine bedrückende Stille entgegen.
    Nesthäkchen, das sonst für ein halbes Dutzend Radau machen konnte, wagte in dieser ungewohnten Ruhe heute gar nicht zu lachen, zu singen und zu spielen.
    Sonderbar beklommen war es Annemarie zumute. Nicht einmal die Erinnerung an das gestrige schöne Kinderfest vermochte diese ungewohnte Stimmung zu zerstreuen.
    Was war bloß schuld daran? Daß Miß John heute morgen plötzlich nach England abgereist war, konnte wohl nicht der Grund sein. Auch daß Fräulein Mahldorf, die ihre Heimat in Ostpreußen hatte, zwei Stunden später ebenfalls zu ihrer Mutter nach Hause reiste, ging Annemarie doch nicht so nahe.
    Nein, es waren die sorgenvollen Mienen und das leise Flüstern und Beraten von Frau Clarsen und Tante Lenchen die so beklemmend wirkten. Und auch, daß die Dörthe immerzu nach der Post geschickt wurde, um zu fragen ob noch immer kein Telegramm gekommen sei von den Eltern der noch anwesenden Kinder. Zu jedem Dampfer ging Tante Lenchen mit Annemarie zum Strand hinunter, sie glaubte bestimmt, Herr oder Frau Braun würden selbst ihr Töchterchen abholen.
    Annemaries Mutter ahnte aber in ihrem englischen Landaufenthalt gar nicht, daß die Kriegsgefahr für Deutschland so nahe war. Und Doktor Braun machte gerade eine mehrtägige Hochtour mit seinen Jungen. Bis in die Gletscherwelt hinauf flatterten die aufregenden

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