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Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Titel: Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Polnisch sprechenden Vera Arm in Arm gegangen. Ein deutsches Mädchen war so wenig patriotisch!
    Zum Glück war die Zwischenpause gerade zu Ende, so daß Vera vorläufig nichts von den verwandelten Gefühlen ihrer neuen Freundin ahnte.
    »Sie ist doch polnisch und nicht russisch!« hatte Margot einzuwenden gewagt, als Annemarie, über und über errötend, ihr zuflüsterte, daß sie nie mehr mit der Vera Burkhard gehen dürften, da es ein Verrat am Vaterlande wäre!
    »Das ist ja ganz dasselbe - spricht sie Deutsch? Na also! Alles, was nicht Deutsch spricht, gehört zu unseren Feinden«, stellte das dumme, kleine Mädel fest.
    Margot wußte zwar als gute Schülerin ganz genau, daß Polen nicht dasselbe war wie Rußland. Aber sie war in ihrer sanften Art gewöhnt, sich der lebhaften Freundin unterzuordnen. Und Vera sprach doch wirklich nicht Deutsch!
    Das war aber noch nicht alles. In der nächsten Stunde ging heimlich unter dem Tisch ein Zettel von Hand zu Hand. Nur zu der kleinen Fremden kam er nicht. Daraus stand. »Wer mit Vera Burkhard in den Pausen geht oder überhaupt mit ihr spricht, verrät sein Vaterland!«
    Das wollte keine. Jedes der Kinder wollte so patriotisch wie nur irgend möglich sein. Trotzdem sich die meisten zu der hübschen, fremdartigen Vera hingezogen fühlten - denn alles Neue zieht Kinder an - nahmen sie sich fest vor, sie links liegen zu lassen. kam doch der Zettel von Annemarie Braun, die stets tonangebend in der Klasse war. Und außerdem war sie Vertrauensschülerin und Kassiererin des Junghelferinnenbundes - nein, Annemaries Zettel mußte Folge geleistet werden, wenn man nicht vor der ganzen Klasse als Vaterlandsverräterin gelten wollte.
    So wagten auch die, welche Mitleid mit dem verlassenen, kleinen Mädchen hatten, es nicht, freundlich gegen dasselbe zu sein. Vera war plötzlich ausgestoßen aus der Klassengemeinschaft.
    Die, welche das alles verursacht hatte, Doktors Nesthäkchen, ahnte gar nicht, was für ein Unrecht es damit getan. Im Gegenteil - Annemarie war noch äußerst stolz darauf, ihre Klasse vor einem Vaterlandsverrat errettet zu haben.
    In der nächsten großen Pause, nachdem jener verhängnisvolle Zettel die Runde gemacht hatte, stellte sich Vera mit freundschaftlicher Selbstverständlickeit wieder bei Margot und Annemarie ein. Ihnen aus ihren schönen, tiefblauen Augen zulächelnd, wollte sie, wie in der vorigen Pause, ihren Arm in den der neuen Freundinnen schieben.
    Margot ließ es in ihrer bescheidenen Art mit puterrotem Gesicht über sich ergehen, sie wagte keine Abweisung. Die temperamentvolle Annemarie aber riß sich mit blitzenden Augen los und rief so laut, daß es die ganze Klasse hören konnte. »Mit dir gehen wir nicht, du alte Feindin!«
    Damit zog sie auch Margot schnell fort.
    Diejenige, an welche die häßlichen Worte sich richteten, war die einzige, die sie nicht verstanden hatte! Aber daß das blonde, kleine Mädchen nichts Freundliches gesagt, das hatte Vera aus dem Ton der Stimme herausgehört. Auch die Art, wie sich Annemarie von ihr losgemacht, war so verletzend gewesen, daß jeder die Abweisung verstehen konnte, auch wenn er nicht Deutsch sprach. Dazu kamen die spöttischen Mienen der andern Kinder, denen Annemarie es deutlich gezeigt hatte, wie man sich seiner »Feinde« erwehren mußte.
    So stand die arme Vera von nun an einsam und verlassen in allen Pausen abseits von der fröhlichen Gemeinschaft der andern.
    Mit sehnsüchtigen Augen blickte sie auf das muntere Treiben, auf die lustigen Spiele, von denen man sie ausschloß.
    Sie zerbrach sich den Kopf, was sie der hübschen Annemarie, die ihr von all den Kindern am besten gefiel, bloß zuleide getan habe, daß sie plötzlich so unfreundlich zu ihr war. Vielleicht hatte sie irgend etwas mißverstanden, da sie doch nur so wenig Deutsch konnte. Aus jeden Fall wollte sie es noch mal versuchen, sie freundlicher zu stimmen.
    Als Vera einige Tage darauf von ihrer Tante, bei der sie jetzt wohnte, einen besonders schönen Apfel mit in die Schule brachte, faßte sie schweren Herzens den Entschluß, sich von demselben zu trennen und ihn Annemarie zu schenken. Sicher würde dann wieder mit ihr gut werden.
    »Da,« sagte sie, als Annemarie Braun an ihr vorüberging und mit ihrem Blick ein Loch in die Lust bohrte, nur um Vera nicht sehen zu müssen, »da - biete, nemmen Sie«, soviel hatte die Kleine inzwischen schon von der deutschen Sprache gelernt. Damit hielt Vera ihr den herrlichen, rotbackigen Apfel an

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