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Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Titel: Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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doch so leicht nicht einzuschüchtern war, ganz ängstlich hervor.
    Da wurde die Miene des Unteroffiziers freundlicher.
    »Leute, hat einer von euch ein Portemonnaie mit zwanzig Märkern gefunden?«
    Keiner von all den vielen Soldaten. Nur der ältere Landwehrmann, der vorher schon so nett zu ihr gewesen, trat vor.
    »Melde gehorsamst, daß die Kleine in der Klasse, in der wir einquartiert sind, vorhin gewesen ist und ihr Taschentuch herausgezogen hat, vielleicht ist es ihr dabei entfallen.«
    »Gehen Sie mit, Müller, und suchen Sie mal nach«, befahl der Unteroffizier.
    Annemarie atmete aus. Sie machte dem Herrn Unteroffizier ihren schönsten Knicks und trabte hinter dem netten Landwehrmann her.
    Die Tische und Bänke waren bereits aus der Klasse herausgeräumt, Matratzenlager aufgeschlagen. Soviel die beiden auch suchten, das kleine Muschelportemonnaie blieb unsichtbar.
    Schweren Herzens mußte Doktors Nesthäkchen sich entschließen, den Heimweg wieder anzutreten. Unterwegs nahm Annemarie sich vor, Großmama zu bitten, den Verlust dem Junghelferinnenbund aus der eigenen Sparkasse ersetzen zu dürfen. Das würde ihr Gewissen dem kleinen Flüchtling gegenüber entlasten.
    Aber als Annemarie heimkam, lag mitten auf ihrem Kinderstubentisch das gesuchte und so heißbeweinte Muschelportemonnaie aus Wittdün mit den verlorengeglaubten zwanzig Mark für den Junghelferinnenbund. Das vergeßliche kleine Fräulein hatte es überhaupt nicht eingesteckt.

Vera
     
    Es regnete von morgens bis abends, tagelang, unaufhörlich. Echter, rechter Novemberregen. Die Straßen Berlins lagen blankgewaschen da, die Menschen hasteten, so schnell wie möglich wieder unter Dach zu kommen. Aber das Regengrau vermochte die siegesfreudige Stimmung der Bevölkerung nicht davonzuspülen. Keiner dachte an sich, wenn er bis aus die Haut durchnäßt heimkam, nur an die draußen.
    »Unsere armen Soldaten im Schützengraben!« so seufzte fast ein jeder, wenn er in das ungemütliche Wetter hinausblickte. Und legte man sich des Abends in sein warmes Bett, während der Regen gegen das Fensterblech trommelte, dann gönnte man es sich nicht, daß man es so gut hatte, während die tapferen Verteidiger in den feuchten Erdhöhlen lagen.
    Selbst Doktors Nesthäkchen kamen jetzt solche Gedanken, wenn sie sich in ihrer hübschen Kinderstube abends zur Ruhe legte. Es dachte dabei nicht nur an seinen Vater und an Onkel Heinrich, sondern an die vielen Tausende, die draußen freudig alle Entbehrungen auf sich nahmen.
    Nesthäkchen war in diesen grauen Regentagen mit seinem Frohsinn wieder mal der Sonnenschein des Hauses. Wie notwendig brauchte Großmama denselben. Woran lag es nur, daß ihre Tochter Elsbeth nicht schrieb? Es kamen doch Briefe aus Engeland herüber, bekannte Familien hatten welche erhalten. Warum schrieb nur sie nicht? Auch die Abreise war in den ersten Tagen nach Ausbruch des Krieges deutschen Frauen noch gestattet worden. Aus welchem Grunde war sie dort geblieben, wo es sie in dieser Zeit doch sicher doppelt heimgetrieben? Großmama zerbrach sich ihren alten, weißhaarigen Kopf und auch die Kinder ihren jungen. Nur daß es bei der Jugend nicht so nachaltig war wie beim Alter.
    Annemarie hatte auch setzt eine große Menge anderes zu denken. Ihre Schule war aufs neue verlegt worden. Diesmal nach dem Norden der Stadt. Das war für die meisten Schulerinnen, wie für die Lehrer, die im Westen Berlins wohnten, recht unbequem. Aber fürs Vaterland stand man sogar gern eine Stunde früher auf. Soviel Zeit mußte aus den weiten Schulweg gerechnet werden.
    Ganz dunkel war es des Morgens noch, wenn die beiden Freundinnen Margot und Annemarie sich auf den Schulweg machten. Hin und wieder brannten an den trüben Regentagen sogar noch die Gaslaternen auf der Straße. Eigentlich hätten sie eine halbe Stunde später aufbrechen können, denn sie bekamen von zu Hause jede zwanzig Pfennige zur Hin- und Rückfahrt mit der elektrischen Bahn. Doch die beiden kleinen Mädchen zogen es vor, bei dem schauderhaften Regenwetter zu Fuß zu gehen - die gesparten Groschen aber wanderten in die Schulkasse für die Weihnachtslazarettbescherung.
    Fräulein mußte es natürlich auffallen, daß Annemarie zeitiger als notwendig von Hause fortging, und, daß sie so spät heimkam. Auch daß ihr Lodenmantel triefte, war merkwürdig, da sie eigentlich die ganze Strecke fahren konnte.
    Natürlich forschte Fräulein der Ursache nach, und die ehrliche Annemarie erzählte wahrheitsgemäß,

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