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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Englisch und Französisch. Langsames Pochen bedeutete, ich bin traurig oder ich komme mit meiner Arbeit nicht zurecht. Schnelles Tempo zeigte eine Freudenstimmung an.
    Der Briefträger kam die Straße herauf. Margot beobachtete ihn nicht weiter. Annemarie aber eilte hinaus, um zu erfahren, ob er nicht Nachricht vom Bruder Hans brächte. Außerdem war es auch recht angenehm, die langweiligen Mathematikaufgaben mal zu unterbrechen. Nicht lange dauerte es, da trommelten Annemaries beide Fäuste einen wahren Jubelhymnus gegen die Balkonwand.
    Margot schlug einmal zurück. Das hieß in der Übersetzung: »Was ist los?«
    Das Klopflexikon der beiden Freundinnen war ziemlich reichhaltig. Aber für das, was Annemarie augenblicklich auf dem Herzen hatte, langte es doch nicht. Sie ließ ein Brieflein an einem Bindfaden über die Balkonwand flattern, darin stand: »Hurra! Ich bin für die Ferien von Onkel Heinrich und Tante Kätchen nach Arnsdorf eingeladen. Ich soll bei der Ernte helfen.«
    Eine ganze Weile hörte man nichts. Dann kamen drei Schläge, langsam und schwer, von Margots Balkon. Auf deutsch: »Ich bin sehr traurig.«
    Annemarie erschrak. Ach Gott, daran hatte sie in ihrer ersten Freude nicht gedacht, daß Margot nun allein zurückbleiben würde. Wieder wanderte ein Brief über die Wand.
    »Sei nicht traurig, Margotchen, vielleicht fahren gar keine Züge wegen der Kohlenknappheit, dann kann ich sowieso nicht fahren, sagt Vater«, las Margot drüben.
    »Wenn doch bloß große Kohlenknappheit käme«, dachte Margot inbrünstig. Sie überlegte in ihrer Enttäuschung nicht, daß die Arbeit eines ganzen Volkes unterbrochen werden sollte, damit ihr kleines Ich befriedigt wurde.
    Dennoch schien es, als ob Margots Wünsche in Erfüllung gingen. Es lag mal wieder etwas in der Luft. Ja, man munkelte sogar von einer Generalblockade.
    »Was ist das, eine Generalblockade?« hatte Margot sich bei Annemarie über die Balkonwand hinweg erkundigt.
    »Du Schlaukopf, das liegt doch auf der Hand. Dann blockieren uns natürlich die Generale.« Ohne sich zu besinnen, erfolgte Annemaries Belehrung.
    Da aber erschallte aus Vaters Zimmer, dessen Erkerfenster an den Balkon grenzte, ein so herzliches Lachen, daß Annemarie doch ein wenig unsicher wurde.
    »Lotte, da hast du dir ja was Famoses geleistet.« Der Vater konnte sich gar nicht beruhigen.
    »Na, wieso denn, wenn es doch Generalblockade heißt?« verteidigte sich sein Nesthäkchen unwillig.
    »General heißt allgemein, das mußt du doch aus der lateinischen Stunde wissen, Obersekundaner. Allgemeine Stillegung bedeutet es ... hahaha ... die Sache ist köstlich.«
    »Vaterchen, du erzählst keinem Menschen was davon, nein? Auch Mutti und Klaus nicht.« Annemarie beschwor den Vater, doch bloß keinem Menschen was von ihrer Dämlichkeit zu verraten. Auch Margot mußte Stillschweigen geloben.
    Einige Tage später kam der Vater etwas erregt mitten aus der vollen Sprechstunde heraus.
    »Wir werden guttun, Elsbeth, uns mit Lebensmitteln zu versehen, vor allem mit Brot. Es waren soeben verschiedene Arbeiter bei mir, die mir erzählten, daß heute abend noch die Blockade in Kraft treten soll. Was sind das für Zeiten!«
    Doktor Braun ging mit ernster Miene wieder an seine Tätigkeit, ein Meer von Aufruhr zurücklassend.
    »Hanne, laufen Sie schnell zum Bäcker und holen Sie soviel Brot, wie wir noch Marken haben. Minna zum Kaufmann nach den Wochenrationen. Lotte, du springst schnell zur Großmama herum und sagst, daß sie ebenfalls Vorkehrungen trifft. Auf dem Rückweg bringst du vom Schlächter unsere Fleischration mit. Klaus, sorge, daß Petroleum im Hause ist, falls die Beleuchtung versagt.« Frau Braun gab ihre Anweisungen, obwohl sie innerlich erregt war, klar und ruhig wie ein Feldherr.
    Aber ihre Hilfstruppen wirbelten wie ein aufgescheuchtes Volk Hühner im Kreise herum.
    »Ach Jotte doch, Jotte doch, wo hab' ich denn bloß die Brotmarken jelassen?«
    Hanne riß sämtliche Kästen und Schübe in der Küche auf und durchstöberte sie in Hast. Dabei lagen die gesuchten Karten mitten auf dem Tisch, wo sie diese bereits hingelegt hatte.
    Klaus machte alle mit seiner Petroleumlampe verrückt und wollte in der Eile noch irgendeine Erfindung machen, daß sie weniger duftete. Annemarie hatte ihre Sinne noch am meisten beisammen. Die alarmierte nicht nur die Großmama, sondern sie machte ihr auch gleich die notwendigen Besorgungen. Der Hanne, die von einem Bäckerladen zum andern jagte, weil

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