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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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heiß! Man sah die Hitze förmlich in den Straßen kochen. Die Menschen schlichen ermattet.
    Die vier Backfische, die sich am Zoologischen Garten trafen, schienen von der Glut nichts zu merken. Die merkten auch nicht, daß sich der Himmel mit einem feinen weißlichen Schleierdunst bezogen hatte. Regen ... ausgeschlossen! Annemaries Rosenknospenkleid wurde gebührend bewundert. So eingehend, daß der einzige Kremser, der noch dort stand, inzwischen besetzt war.
    »Schadet nichts, auf dem Bock zu kutschieren, macht viel mehr Spaß!« Annemarie schwang sich sofort auf das hohe Rad eines niedlichen Jagdwagens und von dort aus gewandt auf den Kutschbock.
    »Kommt, Kinder, hier oben hat man 'ne feine Gebirgsaussicht! Margot, sei doch nicht so tollpatschig, auf die Räderspeichen mußt du treten. Vera, du turnst zu mir auf den Bock herauf. Bah, du riechst ja nach einem ganzen Parfümgeschäft, Marianne!« Ein Mühlrad kam mit Annemaries Mundwerk nicht mit.
    So ... nun waren sie alle aufgeladen.
    »Verachen, wir haben den besten Platz.« Stolz thronten die beiden Freundinnen untergeärmelt auf dem Bock.
    »Verachen muß wieder runter«, entschied der dicke Kutscher gelassen. »Da komm' ich hin.«
    »Ach, wir rücken zusammen, wir haben alle drei Platz, Herr Kutscher«, bat Annemarie. »Nee, bei die Hitze is mich das zu mollig. Mir schwitzt schon so wie nach Fliedertee. Verachen muß runter. Allenfalls kann sie noch hinten zwischen die anderen Fräuleinchens sich dünne machen.« Dabei blieb der Kutscher.
    Es half nichts, Verachen mußte den gefahrvollen Abstieg antreten.
    »O Gott, meine schönes Kleid!« ... Da hatte der weiße Stoff die frischgeteerten Wagenspeichen gestreift und zeigte düstere Färbung. Vera fing fast an zu weinen.
    »Wir waschen es gleich bei Marlene aus« ... »Ist ja Waschstoff« ... Von allen Seiten sprach man ihr gut zu.
    »So, Herr Kutscher, nun kann's losgehen.«
    »Erst berappen, meine Herrschaften, zwei Mark pro Mann.«
    Das Wägelchen setzte sich in Bewegung. Die drei auf dem schmalen Rücksitz klammerten sich fest aneinander, um nicht herunterzufallen. Man quiekte bei jeder Straßenbiegung. Annemarie hätte am liebsten trotz der Hitze den dicken Kutscher untergeärmelt. Sie schwebte da oben auf der äußersten Bockkante, denn ihr umfangreicher Nachbar brauchte fast den ganzen Sitz für sich allein. Wagen über Wagen. Wirklich, ganz Berlin auf Rädern. Vater hatte recht. Scherzworte flogen hinüber und herüber. Das stattliche Jagdwägelchen mit seinen blühenden Insassen wurde öfters Zielscheibe für den Berliner Witz. Annemarie antwortete keck, Marianne kicherte und Vera lachte gleichfalls, ohne alles zu verstehen. Dabei gaben sie nicht acht auf den Weg. Schließlich aber kam Margot, die am zuverlässigsten war, die Gegend doch nicht so ganz geheuer vor.
    »Du, Annemie, frage den Kutscher doch mal, ob wir bald da sind.« Sie zupfte an dem vor ihr sitzenden Rosenknospenkleid.
    »Wie weit ist es noch, Herr Kutscher?«
    »Jleich sind wa Endstation.«
    Annemarie sah sich betroffen um. »Hier ist doch nicht das Zentrum von Berlin? Wir wollen doch nach dem Alexanderplatz«, meinte sie unsicher werdend.
    »Nee, hier ist der Wedding«, war die gemütliche Antwort.
    »Ach, du lieber Himmel!« Die Backfische sahen sich an, und dann brachen sie plötzlich in lautes Lachen aus.
    »Aber, Kinder, da ist doch nichts zu lachen. Wie kommen wir denn nun nach dem Alexanderplatz?« rief Margot entsetzt.
    »Mit unserer Equipage hier.« Annemarie war noch immer sorglos. »Der Herr Kutscher wird uns schon hinfahren.« Dabei strahlten die blauen Mädchenaugen den Fuhrwerksbesitzer liebevoll an.
    »Nee, is nich. Ich und mein Hottehü, wir machen nu Schicht. Wa sind bei die Hitze schon 'n janzen Tag jebraten, nu sind wa knusperig jenuch. Jetzt jeht's zu Muttern in'n Stall.«
    »Aber es steht doch an Ihrem Wagen Alexanderplatz ... ich hab's deutlich beim Einsteigen gelesen ... wie können sie uns denn da bloß nach dem Wedding fahren?« begehrte Marianne auf.
    »Ja, und noch dazu uns zwei Mark dafür abnehmen.« Selbst die schüchterne Margot bekam Mut, da es sich um ihr bescheidenes Taschengeld handelte.
    »Na, nu halten se aber de Luft an, Fräuleinchen! Können Se nicht lesen? Wedding-Alexanderplatz-Zoo steht an meine Equipage. Wa machen immer 'ne Rundtour, meine Liese und ich. Und nu sind wa anjelangt ... nu steijen Se jefälligst ab.« Der Mann wurde von der Hitze und dem unberechtigten Vorwurf nun auch

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