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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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sahen entsetzt auf ihren durchweichten Staat. Endlich am Ziel.
    Ein Bächlein rieselte aus den Haaren und Kleidern der vier herab, bis hinein in die Ulrichsche saubere Wohnung. Dort wurden sie sehnsüchtig erwartet.
    »Das kommt davon, wenn ihr erst so spät zu erscheinen geruht. Wäret ihr pünktlich gewesen, hättet ihr das Wetter nicht abgekriegt«, empfing sie das Geburtstagskind vorwurfsvoll.
    »Wir haben doch eine kleine Extratour nach dem Wedding gemacht.«
    »Himmel seht ihr aus! Wie vier Vogelscheuchen. Und riechen tut ihr wie ein Misthaufen!« Ilse hielt sich die Nase zu.
    »Wir sind auch von der Berliner Abfuhrgesellschaft befördert worden.« Die muntere Annemarie war ganz kleinlaut.
    »Kinder, in der Verfassung könnt ihr nicht auf meine Polster und Teppiche. Kommt mal erst in das Badezimmer, daß ihr einigermaßen wieder menschlich werdet.« Frau Ulrich lachte mit Marlene und Ilse um die Wette über die vier traurigen Gestalten.
    »Das beste wäre, man steckt die ganze Gesellschaft nebst ihren Kleidern ins Wasser«, schlug Marlene vor, die von den duftenden Geburtstagsgrüßen nicht gerade entzückt war.
    »Ja, ins Familienbad!« Den vieren war recht ungemütlich in ihrer Haut.
    Bald drang ein Lachen und ein Juchhei aus dem Badezimmer, daß Marlenes Mutter verschiedene Male anklopfen mußte, damit die Untermieter sich nicht beschwerten. Es dauerte lange, bis vier reingewaschene Jungfrauen in merkwürdiger Verkleidung endlich wieder erschienen. Der Kaffeetisch hatte sich inzwischen in einen Abendbrottisch verwandelt, so spät war es geworden. Geburtstagskuchen bekamen sie aber trotzdem noch.
    »Wir wollten ja so gern Marlenes Geburtstag am Wasser feiern, nun haben wir das gründlich besorgt, sogar im Wasser.« Annemarie, in einem bis auf die Füße herabhängenden Morgenrock von Marlenes Mutter, war jetzt wieder ganz obenauf.
    Die vier Mistkäfer aber, so hatte Ilse sie getauft, hatten mit ihren verdorbenen Kleidern noch lange eine Erinnerung an ihre Landpartie mit der Berliner Abfuhrgesellschaft.

Zur Erntearbeit
     
    »Mädel, du bist ja eine junge Dame geworden in den paar Jahren, wo ich dich nicht gesehen habe. Eine richtige junge Dame. Aber die lustigen Blauaugen sind noch dieselben.« Onkel Heinrich packte seine hübsche Nichte mit derben Landmannsfäusten an beiden Ohren.
    »Hoffentlich bist du kein Berliner Zierpüppchen geworden«, ließ sich Vetter Peter, der auf dem Bock des Jagdwagens thronte und die Zügel hielt, liebenswürdig vernehmen.
    »Nee, Obersekundaner sind keine Zierpuppen.« Das konnte Annemarie mit gutem Gewissen behaupten.
    Sie und ihr Gepäck wurden aufgeladen. Peter schnalzte und die Gäule zogen an.
    »Du, Peter, laß mich kutschieren.« Annemarie war natürlich auf den Bock neben ihn geklettert.
    »Kannst du nicht, das will alles gelernt sein. Latein ist nicht die Hauptsache im Leben.«
    Peter selbst hatte nämlich nicht viel mit Lernen im Sinn. Er wollte Landmann werden wie sein Vater. Außerdem hegten die beiden Vettern Peter und Herbert die heimliche Besorgnis, daß aus dem netten Kusinchen ein verziertes Ding im Laufe der Jahre geworden sei. Denn so stellten sie sich alle Berliner Mädel vor.
    »Gib nur her, das ist doch ganz einfach!« Energisch nahm Annemarie dem nicht viel älteren Vetter die Zügel aus der Hand. Wirklich, es ging. Auf der schnurgeraden Pappelallee, die vom Bahnhof nach Gut Arnsdorf führte, lief der Wagen von allein. Die Gäule kannten den Weg. Man brauchte gar nicht besonders aufzupassen.
    Am Dorfweiher, Barfüßchen. Am liebsten hätte Annemarie auch gleich Schuh und Strümpfe ausgezogen.
    »Soll ich nicht lieber durch das Dorf fahren, Annemie?« Peter sah etwas mißtrauisch auf Annemaries kleine Fäuste.
    »Nee! Im Dorf macht's gerade Spaß.« Das junge Mädchen wollte sich vor den Bewohnern, die mit Abendpfeifchen oder Strickstrumpf aus bunten Hausgärten die Gutsherrschaft grüßten, mit ihren neuen Künsten zeigen.
    Zuerst ging auch alles tadellos. Wenn nur der liebe Gott keine Kühe erschaffen hätte. Die hatten mit einem Mal die Unverfrorenheit, von der Weide heimkehrend, sich mitten auf der Dorfstraße aufzupflanzen. Aus ihren großen Glotzaugen sahen sie verächtlich auf das kutschierende Stadtmädchen.
    »Zügel fester fassen ... durch!« kommandierte Peter.
    Was, mitten durch die Kuhherde sollte sie fahren? Nee, das konnte kein Mensch von ihr verlangen.
    Die Gäule fühlten die Unsicherheit des neuen Kutschers. Auch sie wurden unruhig,

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