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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Reiseetui heraus. »Sieh nur, Elfenbeinbürsten, Waldemar. Entweder sie hat das Ding gestohlen oder ...« Sie vollendete den Satz nicht. Denn schon hatte sie Florstrümpfe, schwarze Lackschuhe und ein Nachthemd mit eleganter Stickerei, A. B. gezeichnet, in Händen. »Das ist kein einfaches Mädchen vom Lande.« Sie kam aus dem Kopfschütteln nicht heraus.
    »Hier ein Buch von der Lagerlöf ...«
    »Etwas merkwürdige Lektüre für ein Bauernmädchen«, warf Doktor Lange trocken ein.
    »Da ist ja noch ein Buch. Was ist denn das?«
    »Cicero in lateinischer Ausgabe. Annemarie Braun, Obersekunda, steht darin. Begreifst du das?« Der armen Frau schwirrte der Kopf.
    »Mir scheint, daß du eine Obersekundanerin als Kindermädel engagiert hast, Marta. Rudi hat ja auch schon herausgefunden, daß sie Lateinkenntnisse hat. Nähere Aufschlüsse muß sie uns selbst geben. Ruf sie doch mal.«
    Annemarie erschien auf das doppelte Klingelzeichen. Sie erblaßte, als sie den Inhalt ihres Rucksacks auf dem Kinderstubentisch ausgebreitet sah.
    »Möchten Sie uns erklären, wie Sie zu dem Rucksack hier kommen?« fragte der Doktor mit strenger Miene.
    »Es ist mein Rucksack«, war die leise Antwort.
    »Das kann unmöglich stimmen. Diese Dinge gehören aller Wahrscheinlichkeit nach einer Obersekundanerin Braun. Sie haben sich nicht nur die Sachen, sondern auch den Namen von ihr unrechtmäßig angeeignet. Ich werde Sie der Polizei übergeben. Die mag feststellen, wer Sie sind und wo die Sachen herkommen.«
    Es wurde Annemarie schwarz vor den Augen. Ediths Puppenwagen, auf den sie gerade blickte, begann vor ihren Augen zu tanzen. Die Polizei ... um Gottes willen nicht! Sie mußte die Wahrheit bekennen. Es war ja jetzt doch alles aus ... alles!
    »Nun?« drängte der erfahrene Arzt, der den inneren Kampf in den sprechenden Zügen des Mädchens gewahrte.
    Annemarie gab sich einen Ruck.
    »Ich bin Annemarie Braun aus Charlottenburg. Ich bin auf der Fahrt nach Hause zu meinen Eltern durch den Kohlenmangel hier in Nürnberg liegengeblieben. Da ich meine Handtasche, die mein ganzes Geld enthielt, verloren habe, war ich gezwungen, irgendeine Stellung anzunehmen, um Unterkunft zu haben und nicht zu verhungern. Ich bitte vielmals um Entschuldigung, daß ich Sie getäuscht habe. Aber ich wußte mir keinen anderen Rat.« Annemaries zuerst stockender Bericht wurde nach und nach freier. Es war ihr eine ordentliche Wohltat, sich alles vom Herzen reden zu können. So ... rausgeworfen wurde sie ja nun auf jeden Fall.
    Da fühlte sie zu ihrem Erstaunen eine gütige Frauenhand nach der ihren greifen.
    »Armes Kind«, sagte Frau Lange »hätten Sie doch nur gleich Vertrauen zu mir gehabt.«
    »Ich mußte mir doch das Reisegeld verdienen, und ich glaubte, ich werde nicht genommen, wenn ich sage, daß es nur für kurze Zeit ist«, erklärte Annemarie erleichterten Herzens.
    »Haben Sie die Eltern benachrichtigt, wo Sie geblieben sind?« erkundigte sich der Doktor.
    »Es war unmöglich ... der Telegrafendienst war ebenfalls gesperrt. Die Eltern werden in großer Sorge um mein Ausbleiben sein.«
    »Das will ich meinen. Der Fernsprechverkehr ist aber bereits wieder aufgenommen. Haben die Eltern Telefon?«
    »Freilich ... ach, wenn ich doch anläuten könnte!«
    »Wie ist Nummer und Name?«
    Annemarie nannte beides.
    »Braun ... Doktor Ernst Braun, Charlottenburg ... mit dem habe ich ja in Heidelberg zusammen studiert«, rief Doktor Lange lebhaft. »Und jetzt bekomme ich die Tochter des alten Studienfreundes als Kindermädel ins Haus. Welch ein Zufall!« Er eilte sofort ans Telefon, um das Ferngespräch anzumelden.
    Bald wußten die Eltern, die sich mit Recht große Sorge um den Verbleib ihres Nesthäkchens gemacht hatten, daß dieses sich wohlbehalten in Nürnberg bei dem ehemaligen Gefährten aus fröhlicher Studentenzeit befand. Weshalb Doktor Lange Annemarie aber sein neues Kindermädel nannte, das verstand Doktor Braun nicht. Die Hauptsache, das Kind war in guter Obhut, bis der Eisenbahnverkehr wieder aufgenommen wurde.
    Ja, Annemarie war wirklich bei Doktor Lange in Nürnberg gut aufgehoben. Nicht mehr als Kindermädel, sondern als liebes Pflegetöchterchen, das Frau Lange gerne zur Hand ging. Latzschürzchen und Tollhäubchen wurden wieder abgelegt. Doch die Kinder, die mit Liebe an ihr hingen, versorgte Annemarie trotzdem mit Freuden. Eierkisten und Arnsdorfer Küken hielten durch Fürsprache des Arztes ebenfalls ihren Einzug bei Doktor Lange.
    Aber nur

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