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Nesthäkchen 06 - Nesthäkchen fliegt aus dem Nest

Nesthäkchen 06 - Nesthäkchen fliegt aus dem Nest

Titel: Nesthäkchen 06 - Nesthäkchen fliegt aus dem Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Da fühlte sie plötzlich das Heu unter sich weichen - ein schriller Schrei - Ilse versank ebenfalls in die Unterwelt.
    »Hilfe!« schrie es wieder von unten. »Du quetschst mich ja zu Apfelmus - keinen ganzen Knochen habe ich mehr im Leib!« Ilse, die auf Annemarie herabgesegelt war, rieb sich, mit dieser um die Wette schimpfend und lachend zugleich, Arm und Beine.
    »Ja, Kinder, was ist denn das für eine heimtückische Menschenfalle hier? Man ist ja seines Lebens nicht sicher. Und dazu die Stockdusternis!« Marlene, die allmählich ganz munter geworden war, versuchte sich vergeblich zurechtzufinden.
    »Herr Mond, bitte, etwas Beleuchtung!« rief Nesthäkchen, das seinen Humor wiedergefunden hatte, nachdem es feststellte, daß alle Knochen noch heil waren.
    »Ja, wie haben wir denn bloß unsere Rutschpartie zuwege gebracht, Annemie? Wir lagen doch ganz entfernt von der Leiter«, versuchte Ilse der geheimnisvollen Reise auf den Grund zu kommen.
    »Ich kann's mir halt denken.« Ola lachte so herzlich. »Bei uns auf dem Land lassen die Bauern in der Mitte auf dem Heuboden ein Loch, durch das sie das Heu hinunterwerfen. Da sind Sie halt hineingeraten.«
    »Ja, ich wollte mich bloß auf die andere Seite umdrehen, und da segelte ich plötzlich in den Orkus hinab.«
    Viel wurde nicht mehr aus dem Schlaf. Es war gut, daß die Sommernacht nur kurz war und daß man in aller Frühe wieder aufbrechen wollte.
    Draußen, am rieselnden Brünnle, wurde Toilette gemacht.
    Neckereien ohne Ende mußten sich die beiden gefallen lassen, als die Herren der Schöpfung von der nächtlichen Rutschpartie erfuhren.

In der Nebelhöhle
     
    Wie ein mittelalterliches Raubritternest, hoch oben auf einem steil abfallenden Felsen klebend, so schaut Schloß Lichtenstein ins Tal hinab; hinunter auf lachende junge Menschen, die, den Rucksack auf dem Rücken, den Berghang hinaufgekraxelt kommen. Ach, die Sonne scheint so heiß und stechend, obwohl es noch früh am Tag ist. Zehn Pfund Mehl sind schwer - Nesthäkchen keucht ein wenig, obwohl es die Anstrengung möglichst zu unterdrücken versucht.
    »Annemarie, seien's verständig und geben's mir das Säckle«, zum soundsovielten Male versuchte Rudolf ihr die Bürde abzunehmen. »Seien's nit eigensinnig.«
    »Ich bin eigensinnig!« behauptete Annemarie in edler Selbsterkenntnis.
    »Schmeiß das Mehl zum Teufel, Annemie«, rief Hans ärgerlich.
    »Was - dazu habe ich es im Schweiße meines Angesichtes bis hierher geschleppt? Ich habe mich ja bei keinem beklagt. Laßt mir doch mein Vergnügen.«
    »Ein Vergnügen eigener Art - willst du meinen Rucksack vielleicht auch noch tragen, wenn es dir solch Vergnügen macht?« zog sie Ilse auf.
    »I schlag' halt vor, mer arranschiere eine Teilung«, erhob der Viehdoktor die Stimme. »Acht luscht'ge Schwabe sein mer, übertreffe sogar noch das Grimmsche Märchen. Die Herre nehme halt jeder zwei Pfund in ihr Säckle, die Dame nur a halbes. Ha' mer 'seh.«
    »Das wäre ein ganz guter Gedanke, wenn in dieser Buschwildnis eine Waage und Tüten zu haben wären«, wurde er ausgelacht.
    »Vielleicht drobe.« Er wies zum Schloß, das mit seinen hohen Türmen und Zinnen näher und näher rückte, empor.
    »Drobe« gab's eine Steinbüste des Dichters Hauff, der die Burg durch seine Erzählung »Lichtenstein« allgemein vertraut gemacht hatte.
    Saure Milch gab's im Jagdhäusle nebenan und »arg guten Zwetschgekuche«.
    Auch eine Küchenwaage und leere Tüten brachte die nette Frau Wirtin herbei.
    Aber Nesthäkchen war wirklich eigensinnig. Es ließ sich sein Mehl nicht abnehmen. Hatte sie den schweren Rucksack bis hierher getragen, konnte sie's auch weiter. Jetzt ging es ja bergab.
    Die Sonne hatte sich inzwischen verkrochen. Wolken ballten sich dick zusammen. Aus allen Himmelsrichtungen zog es dick, düster und unheilverkündend herauf.
    »'sch gibt halt a Wetter«, meinte die Wirtin. »Die Herrschafte sollte's halt abwarte.«
    »Unmöglich, wir wollen den Mittagszug erreichen. Oder aber, wir müssen auf den Besuch der Nebelhöhle verzichten«, überlegte der Referendar.
    »Was - die Nebelhöhle nicht besichtigen, in der Ulrich von Württemberg als Geächteter verborgen gelebt hat? Ja, bist du denn ganz und gar hops, Hänschen? Das wäre ja in Rom gewesen und den Papst nicht gesehen«, regte sich Nesthäkchen auf.
    »Wie weit ist's bis zur Nebelhöhle?«
    »A guete halbe Stund', wenn'sch zugehe.«
    »Ich glaub', wir können's halt noch wagen«, meinte Rudolf, sich auf

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