Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste
Musik?« Ursels Fragen überstürzten sich.
»Ruhig Blut, Kleines. So schnell geht's bei mir nicht mehr. Wie sie heißen? Margarida und Milton Tavares.«
»Margarida und Milton Tavares - ach, entzückend! Sind sie hübsch? Die Namen klingen so, als ob sie hübsch sind.«
»Nun, das ist Geschmackssache. Apart sehen sie jedenfalls aus. Die kleine Margarida ist entschieden eine exotische Schönheit. Blauschwarzes Haar, samtschwarze Augen und eine bräunliche Hautfarbe. Klein und zierlich ist sie. Ist deine Neugier befriedigt, Urselchen?« »Noch lange nicht. Nun kommt erst noch der Bruder dran. Wie sieht der Herr Milton aus? Wie ein Künstler mit rabenschwarzen Locken?«
»Von Locken habe ich noch nichts bei ihm bemerkt. Er ist ein eleganter, guterzogener junger Mann. Das einzige Unangenehme ist nur, daß die beiden, besonders Margarida, vorläufig kaum ein Wort Deutsch verstehen. Sie sprechen ihre portugiesische Landessprache und auch Französisch. Und da ich mein Schulfranzösisch ziemlich vergessen habe - die englische Unterhaltung mit meiner Amerikanerin macht mir ja gar keine Schwierigkeiten - ja, da ist die Verständigung natürlich nicht ganz einfach.« »Mein armes Muttchen, auf deine alten Tage mußt du dein verstaubtes Französisch wieder hervorkramen! Laß sie doch Deutsch lernen«, ereiferte sich Annemarie. »Wollen Sie auch. Vorläufig gibt unsere alte Hanne ihnen praktisch deutschen Unterricht. Ich sage euch, das ist das Komischste, was ihr euch vorstellen könnt. Entweder sie schreit mit ihnen, als ob sie schwerhörig wären, oder aber sie greift zur Methode der Taubstummen und macht ihnen handgreiflich das Notwendige klar. Manchmal habe ich das Gefühl, unter Verrückten zu sein.«
»Hahaha - Hanne als deutscher Sprachlehrer! Das muß ich sehen, Omama. Morgen besuche ich dich bestimmt.«
»Ach, morgen kann ich leider nicht. Nach Schluß der Bank habe ich meine erste Gesangstunde. Aber übermorgen besuche ich dich auch, Omama, deine entzückenden Brasilianer muß ich kennenlernen«, rief Ursel lebhaft.
»Also die Hanne als Sprachlehrer und meine exotischen Pensionäre, das ist euch interessanter als eure alte Omama. Na wartet! Mich zu besuchen, daran denkt keiner«, neckte Frau Braun.
»Wir verbinden das Angenehme mit dem Nützlichen, Omama«, verteidigte sich Hans. »Bin ich nun angenehm oder nützlich?« überlegte die Großmama mit feinem Humor. »Beides - wir schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe, Omama.«
»Nun, Ursel, ich denke, deine Wißbegierde über Brasilien ist nun genügend befriedigt«, wandte sich Frau Annemarie jetzt an die Tochter. »Du darfst dich nun endlich um das Essen und den Mittagstisch kümmern. Wir wollen doch unsere Omama nicht verhungern lassen.«
»Von der Nachspeise müssen wir was für Waldemar und Herbert aufheben. Hans kommt doch mit den Jungs zum Kaffee her. Der arme Junge hat gar keine Häuslichkeit mehr«, seufzte die alte Dame.
»Ja, unsere Ola ist uns leider zu früh entrissen worden.« Das war bei allem eigenen
häuslichen Glück eine Wunde im Herzen des Professors, die nie vernarbte.
»Hans sollte sich eine gebildete Dame ins Haus nehmen, das wäre auch für die heranwachsenden Jungen wünschenswert. Wenn man nur irgend jemand wüßte«, überlegte Annemarie.
»Ich weiß jemand«, rief Ursel frohlockend.
»Du - i der Tausend - ist das Ei wieder mal klüger als die Henne?« Annemarie sah das Töchterchen erwartungsvoll an.
»Tante Margot - Tante Margot Thielen. Neulich erst hat sie gesagt, daß es ihr so einsam daheim sei, seitdem ihre jüngste Schwester aus Berlin fortgeheiratet habe. Daß sie jetzt niemanden mehr zu versorgen hätte - paß auf, Muzi, Tante Margot tut's, die ist ja so gut.« »Damit allein ist's halt nicht getan, mit der Güte, Urselchen. Es ist nicht so leicht, sich in eine immerhin abhängige Stellung zu begeben, wenn man sein Lebtag sein eigener Herr gewesen ist«, sagte der Vater kopfschüttelnd. »Ich glaube nimmer, daß sie darauf eingeht.« »Ich auch nicht, Rudi«, schloß sich die Großmama der Ansicht ihres Schwiegersohnes an. »Margot Thielen hat ihre Häuslichkeit, ihr gutes Auskommen durch ihre kunstgewerblichen Arbeiten. Um anderen Leuten einen Gefallen zu tun, gibt man seine eigene Bequemlichkeit nicht auf. Was meinst du, Annemarie?«
»Ich finde Ursels Vorschlag gar nicht so schlecht. Margots liebevolle, weibliche Art muß stets etwas zu umsorgen haben. Früher war es die leidende Mutter - später die Geschwister -
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