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Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Titel: Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Als Hans Braun mit frohen Augen erschien, um mit Margot Thielen ein neues Lebensglück zu begründen, als die Pfirsichbowle in den Römern funkelte, da meldete sich auch die gute Laune wieder bei dem Hausherrn. Frau Annemarie mit ihrem leichten Temperament pflegten derartige Szenen überhaupt nicht allzulange nachzugehen. Sie war herzlich froh, daß sie den Bruder und die Freundin so glücklich sah. Mit Ursel würde die Sache schon wieder in Ordnung gebracht werden. Sie war ein verzogenes Mädel, das erst zur Vernunft kommen mußte.
    Ursel selbst saß mit bitterbösem Gesicht vor ihrem Glas Pfirsichbowle. Stumm starrte sie vor sich hin und dachte immer nur das eine: »Ich gehe bestimmt morgen nicht wieder zur Bank!«

Schicksalswendung
     
    Was Ursel sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, dabei blieb sie auch. Schon als Kind hatte sie einen Dickschädel.
    Am andern Morgen erschien sie erst am Frühstückstisch, als der Vater bereits in der Sprechstunde tätig war.
    »Ja, wie denkst du dir das eigentlich, mein Kind?« begann Frau Annemarie, die auf der Terrasse selbstgezogene Bohnen abfädelte. »Du kannst doch nicht einfach von der Bank ohne Entschuldigungsgrund fortbleiben. Du bist Bankangestellte und daher verpflichtet, die Bürostunden pünktlich innezuhalten.«
    »So kündige ich sofort.« Ursel sprang ungestüm auf. »Und bis zum Ersten melde ich mich einfach krank.«
    »Das wird dir nach der gestrigen Auseinandersetzung keiner glauben, mein Kind. Und der Vater wäre der letzte, der dir ein ärztliches Attest ausstellen würde.«
    »So mag Müller die Sache ins reine bringen. Er war derjenige, der mir zuerst gesagt hat, es ginge nicht so weiter mit mir, es müßte ein Ende haben. Er wollte ja mit dem Bankdirektor deswegen sprechen. Nun kann er's ja - bitte sehr!« Wie ein ungezogenes Kind sprach Ursel.
    »Ein ganz unreifes Mädel bist du. Wenn nun jeder der Bankbeamten plötzlich fortbleiben möchte, ohne Kündigung, sobald der Vorgesetzte etwas auszusetzen hat. Denk nur, zu welchen Konsequenzen das führen würde. Unbedingt muß ein erklärender und entschuldigender Brief an den Bankdirektor abgehen, falls Vater nicht Wert darauf legt, daß es persönlich geschieht.«
    »Dann mag er's persönlich tun. Ich gehe weder zur Bank, noch zum Bankdirektor.« Der ganze Eigensinn ihrer Kinderzeit sprach aus Ursulas Worten. Frau Annemarie kannte ihr Nesthäkchen. Sie wußte, augenblicklich war auf diesem Wege nichts zu erreichen. »Und was gedenkt das gnädige Fräulein jetzt zu tun?« fragte sie.
    Ursel sah die Mutter unsicher an. Sie war nicht gewöhnt, daß sie ironisch mit ihr sprach. Sie mußte sehr ärgerlich auf sie sein.
    »Gebt mich auf die Opernschule oder auf irgendein gutes Musikkonservatorium. Laßt mich ernsthaft Gesang studieren. Dann werdet ihr Freude an mir haben. So mache ich euch ja doch bloß Kummer und Scherereien.« Das letzte kam leise heraus. Man hörte es ganz deutlich, daß Ursel der Mutter traurige Augen sehr zu Herzen gingen! »Du mußt das diesmal mit dem Vater allein ausfechten, Ursel. Sieh selbst zu, wie sich der Vater zu deinen Absichten stellt. Ich will Ruhe und Frieden im Hause haben.« Die Mutter ging mit ihrer Bohnenschüssel zur Küche und ließ ihre Tochter mit einem recht unbehaglichen Gefühl zurück.
    Ach, der Ursel war es zumute, als ob alles unter ihren Füßen zu schwanken begann. Fest hatte sie darauf gehofft, daß die Mutter wieder für sie Partei ergreifen würde. Nun war es damit Essig. Allein sollte sie ihre Sache verfechten. Sie war ja nicht feige - ganz und gar nicht. Aber merkwürdig, des Vaters Ruhe wirkte auf sie entgegengesetzt. Das reizte sie. Sie wurde dabei hitzig und ungehörig im Ton dem Vater gegenüber. Und daß dabei kein gutes Resultat zu erzielen war, lag auf der Hand.
    Ihre Finger, die nervös an ihrem Kleid entlang tasteten, als ob sie dort einen Halt suchten, fühlten etwas in der Tasche rascheln. Ah, die heutige Karte der Tavares. Fast jeden Tag lag solch ein Morgengruß für sie auf ihrem Frühstücksplatz. Von Marga war er stets abgesandt, aber den Löwenanteil hatte daran der Bruder. Denn mit dem Schriftdeutsch haperte es bei der jungen Brasilianerin noch weit mehr als mit dem mündlichen. Sie hatte die heutige Karte noch gar nicht gelesen. Jetzt griff sie danach, wie der Ertrinkende nach dem Strohhalm.
    »Libi freindin«, schrieb Marga, »mich ist so sensucht fir dir. Komm zu mich, balt, viel balt, ich einladen dir, wenn gnädige mamma und pappa

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