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Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Titel: Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Fahrt«, sagte der Oberlehrer, und seine Augen leuchteten hinter den Brillengläsern. »Die Karwendelbahn ist eine der schönsten Bergbahnen. Sie durchtunnelt die Martinswand auf Tiroler Gebiet. Sie müssen mal eine Fahrt nach Innsbruck herunter machen, meine Herrschaften. Es werden in Mittenwald Grenzscheine ausgegeben.«
    Der Reisegenosse hatte nicht zuviel versprochen. Die gewaltigen Felsen des Karwendelgebirges ragten vor ihnen auf. Stumm schauten sie auf diese fast beklemmend großartige Bergwelt.
    In Mittenwald war Hartensteins Reiseziel erreicht. Der Vater vereinbarte mit dem weiterfahrenden Dr. Ebert schon für die nächsten Tage eine gemeinsame Wanderung. Als sie dann hinaustraten und sie Mittenwald mit seinen malerisch bunten Häuschen auf den grünen Hängen erblickten, während auf der anderen Seite düster und dräuend die schroffe Bergwand zu Tal stürzte, da nahmen die Begeisterungsrufe kein Ende. »Kinder, seht doch nur, die schönen bunten Malereien und Sprüche an den Bauernhäusern«, rief Frau Annemarie entzückt.
    »Und diese Blumenpracht - das kleinste Hüttchen hat farbenprächtige Bergnelken und Rosmarin am Fenster«, stimmte auch Vronli ein.
    »Ursel, du bist hier am richtigen Platz. Schau, Mittenwald ist halt der Ort der Gitarren- und Geigenbauer. Also ganz musikalisch. Dort drüben ist das Posthotel, in dem wir hoffentlich Unterkunft finden werden«, erklärte der Vater.
    Ja, man hatte die gewünschten Zimmer für den Herrn Professor reserviert. Drüben im Anbau lägen sie. Da hätten's die Herrschaften ruhiger. Da wohne sich's gar gut. Sogar der Herr Goethe habe mal in demselben Haus übernachtet, eine Tafel vermelde es noch. So teilte der freundliche Wirt seinen neuen Gästen mit.
    »Im Hause, wo Goethe übernachtet hat, werden wir logieren. Kinder, was werden uns da für Träume umgaukeln«, rief Frau Annemarie lustig.
    »Puh, ist das eine alte Bude«, flüsterte Ursel sich schüttelnd ihrer Schwester zu, die mit andächtigem Schauer die Gedenktafel am Hause studierte.
    Aber die Zimmer droben waren so hell, so sauber und freundlich, daß Hartensteins recht zufrieden mit ihrer Unterkunft waren. Besonders Vronli fand die bäuerlichen Möbel und das geblümte Kattunsofa urgemütlich.
    »Du hast wirklich einen komischen Geschmack, Vronli. Wenn ich mir die Tavares hier vorstellen sollte -«
    »Die gehören ja auch nicht in unser einfaches bayerisches Bergland, sondern nach Brasilien«, lachte sie Vronli aus. »Mädel, was haben dir die Ausländer für einen Sparren in den Kopf gesetzt.«
    Im Nebenzimmer hatte Frau Annemarie Bruchstücke von der Unterhaltung ihrer Töchter aufgefangen. »Du glaubst nicht, Vronli, wie froh ich bin, daß Ursel wieder ein paar Wochen mit dir zusammen ist«, sagte sie, als sie später mit ihrer Ältesten einen Spaziergang an dem herrlich gelegenen Lautersee unternahm. »Ich erhoffe mir soviel von deinem günstigen Einfluß auf das anspruchsvolle Mädel. Merkst du nicht, daß unser hübsches Hotel gar nicht nach ihrem Geschmack ist? Sie hat sich da Gott weiß was für ein großartiges Haus ersten Ranges vorgestellt.«
    »Die Ursel tut halt nur so. Es ist nicht halb so schlimm. Sie hat bereits mit der Resi und dem Seppel im Haus Freundschaft geschlossen. Aber ich halte den Verkehr mit den Brasilianern für sie nicht günstig. Ursel läßt sich noch zu leicht von Glanz und Reichtum blenden.«
    »Wir haben aus denselben Gründen den Verkehr nach Möglichkeit eingeschränkt, Vronli. Ja, Vater ist sogar ziemlich ablehnend gewesen, als sie sich uns nach Mittenwald anschließen wollten. Erstens hätte unser gemütliches Beisammensein darunter gelitten und dann -«, die Mutter stockte einen Augenblick.
    Aber als ihr Blick das ruhig freundliche Gesicht Vronlis streifte, fügte sie mit der ihr eigenen Ehrlichkeit hinzu: »Ich habe auch noch andere Bedenken, Vronli. Dir kann ich sie ja anvertrauen. Du bist so reif und so verständig, weit über deine Jahre hinaus. Ich wünschte, du könntest der Ursel etwas davon abgeben. Ja, unser Urselchen. Ich habe Sorge, daß ihr der Brasilianer den Kopf verdreht. Daß es mehr als Freundschaft ist, was sie für ihn empfindet. Er ist ein prächtiger Mensch, dagegen ist gar nichts zu sagen. Aber Brasilien...«
    »Die Ursel ist ja noch ein halbes Kind. Freilich imponiert ihr das alles, die Eleganz und der Reichtum der Ausländer. Aber augenblicklich lebt sie doch nur in dem Gedanken, eine berühmte Sängerin zu werden. Da kannst du unbesorgt

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