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Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Titel: Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Ursel den blonden Kopf. Sie hatte vergessen, daß sie auf dem Konzertpodium stand, die Menge ringsum, bis auf den einen, vergessen. Wo blieb die stolze Freude, das Glücksgefühl? Während Ursel sich dankend verneigte, sang und klagte es noch immer in ihr:
    »Half ihm doch kein Weh und Ach,
    Mußt es eben leiden.«
    Das zweite Lied, ein Straußsches Wiegenlied, folgte: Es gab Ursels aufgerührter Seele wieder Ruhe, Frieden. Licht und zart wie ein Engel, der das schlummernde Kindlein behütet, schwebten die Töne dahin.
    Wieder lebhafter Beifall, der sich nach dem dritten Liede, dem mutwilligen »Ständchen« von Brahms noch steigerte. Wieder und wieder rief man sie heraus. Die begeisterte Menge ruhte nicht eher, bis sie das »Ständchen« noch einmal sang. Nun saß sie in dem Künstlerzimmer, während der Geiger seiner Violine feurige ungarische Weisen entlockte. In tiefen Zügen atmete sie den süßschweren Duft der Orchideen.
    Pause. Man drängte sich in das Künstlerzimmer. Professor Lange klopfte seiner Schülerin in freudiger Anerkennung die Wange. »Brav gemacht - solch ein erstes Konzert kann man sich gefallen lassen.«
    Das Klingelzeichen rief zum zweiten Teil des Konzertes. Pianist und Geiger vereinten sich in einem Duett. Das Künstlerzimmer hatte sich geleert. Ursel war allein darin zurückgeblieben. Da öffnete sich noch einmal die zum Gang hinausführende Tür. Ohne hinzublicken wußte Ursel, wer jetzt kam.
    Milton Tavares stand vor ihr. Nach ihren beiden Händen griff er. »Mein Röslein«, flüsterte er leidenschaftlich und zog sie an sein Herz. Da empfand sie nicht mehr das quälende Weh - da war es vorbei, das Sichaufbäumen gegen etwas, das stärker war als sie. Nicht an ihre Künstlerlaufbahn dachte sie - noch an das fremde, ferne Land - nur eins wußte sie: Er allein war ihre Zukunft.
    Als Ursel wieder das Podium betrat, glühten ihre Wangen, strahlten ihre Augen in seligem Glück. Ihre Hand hielt den Strauß Orchideen. Die beiden Schubertlieder »Ich schnitt es gern in alle Rinden ein« und »Freudevoll und liebevoll« jubelte sie aus voller Seele heraus. Und dann kam wie ein Bekenntnis das Beethovenlied von ihren Lippen: »Ich liebe dich, so wie du mich.«
    Ergriffen lauschten die Zuhörer. Frau Annemaries Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. Tosende Beifallsbezeigungen, sich immer wieder erneuernd, umrauschten die junge Sängerin. Bis Ursel dem unermüdlichen Klatschen nachkam und noch ein Lied zugab.
    »Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, Im dunklen Laub die Goldorangen glühn«
    Ursel war nicht mehr im Zweifel, welches von den für eine Zugabe mitgebrachten Liedern sie wählen sollte. Nur dies eine gab es, was sie singen konnte - ihr Schwanengesang an ihrem ersten Konzert.
    »Kennst du es wohl? Dahin - dahin
    Möcht' ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.«
    Das Konzert war zu Ende. Man umdrängte und feierte die junge Künstlerin. Man beglückwünschte die Eltern zu der heute begonnenen Ruhmeslaufbahn ihrer Tochter. Die Großmama drückte ihren Liebling an das Herz: »Mein Urselchen, daß ich diesen Tag noch erleben durfte!« Hanne streichelte ihr mit den verarbeiteten Händen die zarte Wange: »Jotte doch, Herzeken, wie scheen du das allens jelernt hast. Scheener können die Engel bei unserm Herrjott es auch nicht.«
    Händedrucke, Gratulationen, Blumen, Worte der Begeisterung und Ruhmesprophezeiungen - wie durch einen Nebel sah und hörte die gefeierte junge Sängerin das alles. Dann zerriß der Nebel plötzlich - Milton war zu ihr getreten, zog ihre Hand an die Lippen und flüsterte, nur ihr verständlich: »Marovilhosa - wundervoll! Dank - oh, viel, viel Dank für dein Lied.«
    Nun saßen sie wieder im Auto, Ursel war verpackt von zärtlicher Mutterhand.
    Ganz gegen ihre Gewohnheit schwieg sie. Auch Frau Annemarie sprach nicht. »Na, sagt mal, Kinder, was ist denn halt mit euch Weibsleut heute los?« verwunderte sich der Professor. »Sonst schwätzt ihr so viel daher, daß einem manchmal der Kopf raucht, und jetzt tut ihr, als ob die Ursel mit Trommeln und Trompeten reingerasselt sei und nimmer solch eine freundliche Aufnahme bei dem Publikum gefunden hätt'. Aber zur Bühne wird trotzdem nicht gegangen, du Schlingel, verstehst?« Professor Hartenstein zupfte seine Tochter am Ohr. Denn heimlich war er unsagbar stolz auf sie. »Nein, Vaterle, ich gehe nicht zur Oper.«
    Nanu? Solche Gefügigkeit, und noch dazu nach einem derartigen Erfolg, der ihr doch sicher zu Kopf gestiegen

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