Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste
Hanne auch.« Der freudige Stolz meldete sich nun doch wieder.
»Ei, Herzchen, das ist aber eine große Auszeichnung!« Die Großmama streichelte ihrem Liebling die Wange. Also darum war das Kind so still und in sich gekehrt. Das Konzert ging ihr im Kopf herum. Vielleicht schon Lampenfieber.
»Das ist eine große Freude für mich, daß ich's noch erleben darf, dich als Sängerin auf dem Konzertpodium auftreten zu sehen. Es ist hübsch von dir, mein Urselchen, daß du gleich mit der frohen Botschaft zu deiner alten Oamama kommst. Du weißt schon, wer sich am meisten mit dir freut.«
Ursel wurde rot bis an die Haarwurzeln. Sie schämte sich heimlich, daß sie in erster Reihe an einen ganz anderen gedacht hatte. An einen, der ihre Freude nicht mal geteilt, ja diese sogar beinahe zertreten hatte. Aber sie wollte sich das, was sie noch vor kurzem so glücklich gemacht hatte, nicht zerstören lassen.
»Hast du denn auch ein Konzertkleid, mein Urselchen?« erkundigte sich die alte Dame, um Ursel von dem mutmaßlichen Lampenfieber abzulenken.
»Ein Kleid?« - Richtig, ein Kleid gehörte ja auch dazu. Daran hatte die junge Sängerin noch nicht gedacht. »Mein rosa Kleid von Vronlis Hochzeit ist nicht mehr sehr schön. Ich habe es schon als Sommerkleid mitgetragen.«
»Nun, da wird der Weihnachtsmann wohl im voraus ein neues bringen müssen, was, Urselchen?« meinte die alte Dame lächelnd.
»Ach, Omamachen - !« Ursel schmiegte den Blondkopf zärtlich an die Großmama.
Sie fühlte sich so geborgen an diesem stillen Platz, behütet vor all dem Unruhigen, was von draußen auf sie eindrang. Und das sollte sie aufgeben, dieses Sichgeborgenfühlen? Nicht nur hier am Herzen der Großmutter, nein, viel mehr noch daheim bei ihrer besten Freundin. Muzi - ihre kleine Muzi würde ihr helfen, aus dem Labyrinth der widerstreitenden Gefühle herauszufinden. Ursel hob energisch den Blondkopf. Sie war in ihrer raschen Art fertig mit ihren Überlegungen - fertig auch mit Milton Tavares. »Also, was meinst du zu einem mattblauen Seidenkleid, Urselchen, das müßte dir doch gut stehen? Deine Mutter hat früher mit Vorliebe hellblau getragen«, überlegte die Großmama. Ursel fuhr sich über die Stirn. Die Gedanken wollten sich doch nicht so schnell scheuchen lassen, wie man es ihnen befahl. Hatte Milton neulich nicht gesagt, mattgrün sei die geeignetste Farbe für sie? Aber was ging sie denn Milton noch an?
»Hellblau ist so altmodisch, Omamachen. Hellgrün steht mir sicher besser - falls du den Weihnachtsmann sprechen solltest.« Da hatte sie doch gerade das Gegenteil von dem gesagt, was sie soeben gedacht hatte.
Es war Zeit, heimzukehren. Dort würde sie sich zu größerer Klarheit durchringen. O Gott, da trat Milton durch die Tür. Die Tavares waren wie Kinder im Haus. Sie hatten zu Frau Brauns Wohnzimmer stets Zutritt. Er sah, wie Ursel bei seinem Eintritt zusammenzuckte.
»Habe ich geschreckt, Urrsel?« fragte er teilnehmend. »Ist es erlaubt, Frau Braun?« Er zog sich mit liebenswürdiger Selbstverständlichkeit einen Stuhl zu den beiden Damen. »Kommen Sie nur, lieber Milton.« Auch die alte Frau Braun nannte die beiden Ausländer auf deren Bitte beim Vornamen. »Wo steckt denn unsere Marga?« »Marga ist gegangen zu Hutmacher, wird kommen bald.«
Ursel fiel es erst jetzt ein, daß sie die Freundin überhaupt noch nicht vermißt hatte, daß sie bisher nur an Miltons Fortgehen aus Deutschland gedacht hatte.
Brüsk erhob sie sich. »Ich will heim, Omama. Vater und Mutter sollen sich mit mir freuen über meinen ersten Schritt auf dem Weg zum Ruhm. Im Januar gehe ich zur Opernlaufbahn über. Und wenn erst mein erster Auftritt auf der Bühne gefeiert wird - wäre es nur schon soweit!« So, nun wußte Milton Bescheid.
Das erste Konzert
Und nun war es soweit. Frau Annemarie in ihrer nervösen Erregung hatte alle Uhren vorgestellt, damit die niemals pünktliche Tochter wenigstens zu ihrem ersten Konzert nicht zu spät käme. Der Professor hatte pünktlich den letzten Patienten abgefertigt; Hansis Smoking war geliefert worden. Das Auto hielt endlich vor der Hochschule. »Nun mach deine Sache gut, mein Mädel, und geht's schief, ist's halt auch kein Unglück«, damit entließ der Vater Ursel.
Die schlüpfte, gefolgt von der Mutter, durch einen Seiteneingang ins Künstlerzimmer. Eiskalt waren Frau Annemaries Hände. Ursel wärmte sie in den ihren.
»Muzi - Muzichen, wie kannst du dich nur so aufregen. Paß mal auf, was für
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