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Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Titel: Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Sie empfand es selbst, daß sie sich der unbekannten Großmutter nicht von der vorteilhaftesten Seite zeigte. Und das verdroß sie. So beobachtete sie der Schwester bittende Beeinflussung nicht. Wie eine große Dame winkte sie dem Kellner: »Eine Tasse Schokolade«, bestellte sie. Miß Smith erschien, trotz ihres Jammerzustandes, das Verhalten ihres Zöglings doch etwas eigenmächtig. Sie wandte sich in englischer Sprache dagegen. Die Großmama aber sagte mit aller Bestimmtheit: »Anita, wenn du etwas wünschst, so wirst du es mir künftig sagen. Es ist bei uns nicht Sitte, daß ein so junges Ding wie du selbständig Bestellungen beim Kellner macht.«
    »Ich bin Amerikanerin!« trumpfte Anita auf. »Ich habe kalt - ich will trinken heiß.« Es war irgend etwas in dem Ton der Großmama, das Anita diese erklärenden Worte hinzufügen ließ.
    »Kalt - bei dieser heißen Mittagssonne? Ja, an unser europäisches Klima werdet ihr Tropenblümchen euch erst gewöhnen müssen.« Die kluge Frau hielt es für ratsam, möglichst schnell über diesen unliebsamen Vorfall hinwegzugehen.
    Aber als die Schokolade kam, mochte Anita sie nicht mehr trinken. Sie schob sie Homer hin, der sich erfreut darüber hermachte.
    Frau Annemarie war selbst ein solch harmonischer Mensch, daß sie auch um sich möglichst alles in Harmonie liebte. Und nun sollte sie in ihr erstes Beisammensein mit den Enkelkindern fortwährend Disharmonien bringen? Aber wiederum, wenn sie nicht gleich Front machte gegen Anitas Verhalten, hatte sie ein für allemal verlorenes Spiel. Ehe sie noch mit ihren Überlegungen, mit dem Für und Wider im reinen war, hatte Anita sich erhoben. Sie wandte sich in portugiesischer Sprache an die Miß und an Marietta. Die Miß antwortete englisch, Marietta in ihrer Heimatsprache. Es gab eine aufgeregte Debatte. Jetzt riß Frau Hartenstein aber doch die Geduld! Ein Lamm war sie noch immer nicht, trotz ihrer Jahre.
    »Ich muß euch sehr bitten, Kinder, Deutsch zu sprechen. Erstens erfordert es der Anstand, daß man nicht etwas sagt, was von einem der Gesellschaft nicht verstanden wird, und dann sind wir ja in Deutschland. Also was gibt's denn?«
    »Anita ist kalt. Sie will fahren in Hotel, wenn es ist recht der lieben Großmama«, vermittelte Marietta schnell. Sie hatte wohl Furcht, daß die Schwester ihren Wunsch wieder allzu nachdrücklich kundgeben könnte.
    »Wir müssen hier noch den Großpapa erwarten«, bedeutete ihnen die Großmama. »Er muß ja bald hier sein.«
    »Wie heißt der Hotel, wir wohnen? Miß Smith, Marietta, ich werde nehmen Auto und fahren zu es.« Anita erhob sich. Lottchen, Homer und Jimmy schien sie zur Gesellschaft der Großmama zurücklassen zu wollen.
    »Nein, mein Kind, wir erwarten den Großpapa hier gemeinsam.« Seitdem ihre eigenen Kinder ihrer Erziehung entwachsen waren, hatte die Großmama nicht soviel Energie aufwenden müssen. Ursel war ja auch schwer zu erziehen gewesen. Auch sie hatte ihr Köpfchen für sich gehabt. Das schien sich bei ihrer Tochter noch in verstärktem Maße vererbt zu haben.
    Marietta hatte Anita einige leise Worte zugeflüstert. Die Großmama konnte nur das Wort »Mammi« daraus verstehen. Aber sie mußte wohl den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Ja, die Mammi drüben in Sao Paulo würde sicher nicht mit ihrem Verhalten der Großmutter gegenüber einverstanden sein. Das sah Anita ein.
    »Da kommt Großpapa!« stellte sie daher erleichtert fest. Rasch eilte sie ihm entgegen. Arm in Arm traten Großvater und Enkelin an den Tisch.
    »Bist jetzt abgesetzt, Weible«, rief der Herr Geheimrat in bester Stimmung. »Hab' mir halt eine Jüngere angeschafft. Aber Gerümpel habt's mitgeschleppt, Kinderle. Himmelangst wird mir, wenn ich an all die Koffer und Kisten denke. Dafür muß ich mir noch extra ein Haus bauen lassen. Unser kleines Häusle reicht nimmer aus.«
    Die beiden jungen Mädchen lachten zu den lustigen Worten des Großvaters. Es klang hell und melodisch wie Vogelgezwitscher.
    Der Geheimrat nickte seiner Frau liebevoll zu. »Das lass' ich mir gefallen, hier oben in der Maisonne in so herziger Gesellschaft zu schlemmen. So hast dir's doch nicht vorgestellt, gelt, Fraule?«
    Nein, Frau Annemarie bestätigte es lächelnd. Allerdings ließ sie ihren Mann im unklaren darüber, inwiefern sie es sich anders vorgestellt hatte. Der Geheimrat zahlte, zog Lottchen an den blonden Rattenschwänzchen, fuhr Homer väterlich über den Kopf, ja sogar Jimmy mußte mittels einer Banane, die

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