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Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Titel: Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Tavares, Marietta, vergiß das nicht!« sagte sie mahnend. Worauf die Schwester errötend verstummte.
    Nein, so schwer hatte es sich Frau Annemarie doch nicht gedacht. Ein verwöhntes Kind war durch vernünftige Erziehung in die richtigen Bahnen zu leiten. Aber wenn dummstolzes Standesvorurteil stets neue Hindernisse auftürmte, wie sollte man dagegen ankämpfen?
    »Höre, Anita«, begann die Großmutter liebevoll, »du bist groß genug, um zu verstehen, daß in den verschiedenen Ländern verschiedene Sitten herrschen. Du bist hier in Deutschland, um bei uns deutsches Leben und deutsches Wesen kennenzulernen. Mache es mir nicht zu schwer, Kind!« Das war gütig und offen gesprochen.
    Auf Marietta blieben die Worte der Großmama nicht ohne Eindruck. Ihre schwarzen Augen sahen bittend auf Anita.
    »Gut, ich will lernen kennen deutsche Leben, aber bleiben Amerikanerin!« räumte diese ein.
    »Das sollst du auch, Anita. Aber Amerikanerinnen tun selbst etwas. Die lassen nicht andere für sich arbeiten. Amerika ist das Land, in dem nur Arbeit etwas gilt. Man spricht dort vom Selfmademan. Dasselbe gilt auch für die amerikanische Frau.«
    »Nicht für eine Tavares.« Da war er wieder, der portugiesische Ahnenstolz. »Arbeit ist gut für armes Frau. Vornehme Damen nicht arbeiten. In Sao Paulo keine reiche Dame wird arbeiten.«
    »Und eure Mutter?« Frau Annemarie mußte diese Frage tun. Obwohl sie ja wußte, daß ihre Ursel niemals der Arbeit besonders hold gewesen war. »Unsere schöne Mammi nicht arbeitet«, rief Anita lebhaft.
    »Mammi studiert die Musik. Mammi geht in Kolonie von deutsche Arbeiter, zu helfen«, erklärte Marietta eifrig. Nein, die Großmama sollte keine schlechte Meinung von der geliebten Mutter bekommen.
    Frau Annemarie mußte über Mariettas Verteidigung lächeln. Sie wurde ihr nur noch lieber, kam ihr nur noch näher durch diese innige Zuneigung für die Mutter.
    »Musikstudium und soziale Hilfsbereitschaft ist auch Arbeit. Ein jeder muß seine Tätigkeit dem Platz anpassen, auf den er gestellt ist. Aber man soll vor keiner Arbeit zurückscheuen, sich für keine zu gut halten.« In ihrem ganzen Leben hatte Frau Annemarie noch nicht so lange Moralpredigten gehalten. Dabei blieb es mehr als zweifelhaft, ob die brasilianischen Enkelkinder alles verstanden hatten.
    Ein Pochen an der Tür beendete die Unterhaltung.
    »Frau Jeheimrat, die Suppe steht aufm Tisch. Und was unser Herr Jeheimrat is, wird unjemütlich, wenn sie kalt wird«, rief Frau Trudchen.
    »Ja, ja - wir kommen schon, Trudchen. Flink, Kinder, bürstet euch das Haar und wascht euch die Hände. Der Großpapa liebt Pünktlichkeit.« Damit war Frau Annemarie schon an der Tür. Selbst sie, die einst durchaus nicht immer Pünktliche, hatte in den langen Ehejahren genaue Zeitinnehaltung von ihrem Manne übernommen.
    »Wir nicht können gehen mit Reisekleider zu dinner. Wir müssen anziehen schöne Kleider«, wandte Anita ein. Die Tavaresschen Kinder waren es gewöhnt, sich zum Essen besonders hübsch zu machen.
    Frau Annemarie stand zwischen Tür und Angel. »Hier in Deutschland ist es nicht nötig, sich zum Essen anzuputzen. Nur sauber und ordentlich muß man bei Tisch erscheinen. Ja, Rudi, wir kommen schon!« rief Frau Geheimrat in das Erdgeschoß hinab, denn die Stimme des Gatten klang ungeduldig herauf.
    Das »wir« beschränkte sich vorläufig nur auf sie selbst und die Miß. Die jungen Mädchen ließen auf sich warten. Die Suppe war ausgeteilt, sie geruhten noch immer nicht zu erscheinen.
    »The girls are dressing for dinner«, hatte die Miß als Entschuldigung für das Ausbleiben ihrer Zöglinge geäußert.
    »Ich habe ihnen doch gesagt, daß dies bei uns nicht nötig ist. Sie müssen die Essensstunde pünktlich innehalten.« Frau Annemarie war ärgerlich, auf die Enkelinnen sowohl wie auf die Engländerin. Diese hatte als Erzieherin doch die Pflicht, auf die Mädel einzuwirken, anstatt hier mit Gemütsruhe ihre Suppe zu löffeln.
    Dem Geheimrat schmeckte es nicht. Er hatte sich auf die erste Mahlzeit daheim mit den Kindern seiner Ursel gefreut, ja, sogar einen ärztlichen Besuch, der nicht eilte, auf den Nachmittag verschoben, um die Gemütlichkeit des ersten Beieinanders nicht zu stören. »Miß Smith, würden Sie so liebenswürdig sein, meinen Enkelinnen zu sagen, sie möchten sofort zu Tische kommen«, wandte sich Annemarie an die Engländerin. Miß Smith rührte sich nicht. Kaum die Lippen bewegte sie, als sie antwortete: »The girls

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