Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel
Anita, die ihren Freund am besten kannte.
Aber keins von den Kindern wollte sich an den Kaffeetisch unter die Linde, auf der Jimmy thronte, setzen. Kunze und Frau Trudchen mußten einen Tisch in ungefährlicher Entfernung aufstellen. Selbst die große Gerda wanderte mit an das Trompetertischchen, obwohl sie sonst darauf brannte, bei den Großen zu sitzen.
Sie hatte ihren Arm zutraulich in den Mariettas geschoben: »Komm, wir sitzen zusammen.«
Marietta wußte nicht recht, was sie tun sollte. Anita hatte an der Kaffeetafel neben Miß Smith Platz genommen. Gehörte sie nicht zu ihrem Zwilling? Wiederum mochte sie Gerda nicht verletzen.
Da rief Anita ihr einige portugiesische Worte zu. Marietta löste ihren Arm aus dem der Kusine. »Ich muß sitzen mit mein Schwester. Du kannst kommen mit«, setzte sie aber gleich begütigend hinzu, als sie merkte, daß Gerdas Augen feucht wurden. Gerda schüttelte stumm den Kopf. Sie war stolz und auch empfindlich. Aufdrängen wollte sie sich nicht. Ganz abgesehen davon, daß der Platz unter der Linde Jimmys wegen nicht verlockend war. So griff sie still zur Kakaokanne und machte damit die Runde am Kindertisch, wie Frau Trudchen es mit der Kaffeekanne an der Haupttafel tat. Anita rümpfte das Näschen und flüsterte Marietta etwas zu. Die wurde rot und schaute auf Gerda. Wirklich, Gerda bediente mit bei Tisch, sie reichte jetzt die Kuchenschüssel herum, nein, das fand auch sie nicht vornehm. Dazu war doch die Dienerschaft da. »Nun, Nita und Jetta, wollt ihr euch von eurer jüngeren Kusine Gerda beschämen lassen?« fragte da die Großmama zu den beiden herüber. »Junge Mädchen müssen sich bei Tisch nützlich machen. Nita, nimm die Kaffeekanne und schenke Onkel Georg die zweite Tasse ein. Jetta, du reichst Milch und Zucker, nicht wahr?«
Blutübergossen erhob sich Marietta. Einem Wunsche der Großmama mußte man nachkommen. Wie peinlich, daß die neuen Verwandten Zeuge davon wurden, daß sie »Dienstarbeit« tun mußte.
Aber merkwürdig: Die schienen gar nichts dabei zu finden. Im Gegenteil, Onkel Hans meinte galant: »Von solch schöner Hand schmeckt es noch einmal so gut.« Anita tat, als ob sie die Aufforderung der Großmama gar nicht gehört hätte. Sie rührte sich nicht vom Platze. Onkel Georg hätte lange auf seine zweite Tasse warten können, wenn Tante Vronli sich nicht ihres Mannes erbarmt und selbst nach der Kanne gegriffen hätte. Munter machte die Tante nun weiter die Runde mit der Kaffeekanne.
Die Großmama blickte mißbilligend zu Anita herüber. Ihr war der Sonntag, auf den sie sich die ganze Woche zu freuen pflegte, heute gründlich verdorben. Ihre Kinderchen drängten sich nicht wie sonst um die Omama, sondern konnten ihren Tisch nicht weit genug von dem ihren entfernt haben. Und nun ärgerte auch Anita sie noch durch ihre schweigende Auflehnung. Unmöglich konnte sie das durchgehen lassen. »Du hast wohl nicht gehört, Anita, was ich von dir wünschte«, sagte sie, die leuchtendblauen Augen auf die Enkelin heftend. »Ja, ich habe gehört«, gab Anita kühl zurück.
»Willst du Tante Vronli das Einschenken des Kaffees nicht abnehmen?« Die alte Dame mußte sich Zwang auferlegen, ruhig zu bleiben.
»Nein, ich bediene nicht anderes Leute, das nicht tut eine Tavares.« Laut und stolz klang es.
Onkel Georg setzte klirrend die Kaffeetasse hin und runzelte die Stirn. »Ich werde schenken ein die Kaffee«, sagte da eine vor Erregung etwas zitternde Stimme in die Pause hinein, die auf Anitas Worte folgte. Und da hatte Marietta auch schon die Kanne in der Hand und goß den Kaffee in die Tassen. Etwas ungeschickt zwar, hier und da floß ein Tröpfchen daneben auf die Kaffeedecke, aber die Großmama nickte ihr trotzdem liebevoll zu. Auch die übrigen Verwandten fühlten sich wie erlöst, daß wenigstens eins der amerikanischen Mädchen bemüht war, sich den Gepflogenheiten im großväterlichen Hause unterzuordnen. Miß Smith sprach englisch auf Anita ein. Aber Anita schüttelte zu ihren Worten ablehnend den Kopf.
Da fühlte sie eine weiche Hand zärtlich ihre Wange streicheln. Leise portugiesische Laute drangen an ihr Ohr. »Nita, tu's der Großmama zuliebe, sie ist so gut zu uns. Und es macht wirklich Spaß, zu helfen.« Anita schaute auf Marietta, über die sie eben noch sehr ärgerlich gewesen war, weil sie hier in Deutschland eigene Wege ging, die sie trennten, weil sie Dinge tat, die sich für sie nicht schickten.
Aber als sie in das liebe, bittende Gesicht
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