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Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Titel: Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Goldlack? Vergißmeinnicht paßt eigentlich noch besser zu der Kaffeedecke?« überlegte Marietta in ihrer Heimatsprache.
    »Bunte Anemonen, von dem Beet dort, ganz bunt durcheinander, das ist beinahe so schön wie bei uns in Brasilien.« Anita war auch in Bezug auf Geschmack ausschlaggebend für die Zwillingsschwester. Sie wußte ganz genau, was jeder von ihnen stand und was nicht. »Ja, Anemonen - bunte Anemonen sind lustig.« Eifrig brachte Marietta Vasen und eine Schere herbei und machte sich daran, die schönsten Exemplare zu schneiden. Anita sah ihr abfällig zu. »Das ist keine Arbeit für uns. Dazu gehören Gärtner, wie bei uns in Sao Paulo.«
    »Aber es macht Freude, Nita, wirklich! Versuche es nur mal«, redete Marietta ihr zu. »Ich tue keine Bedientenarbeit. Ich denke überall, auch im fremden Lande daran, daß ich eine Tavares bin.« Anita warf stolz ihre schwarzen Locken zurück.
    Still tat Marietta ihre Arbeit weiter. Sie hatte plötzlich die Freude an der lustigen Beschäftigung verloren. Wie kam es nur, daß sie hier in Europa viel öfter als daheim entgegengesetzter Meinung war als Anita? Daß ihr deren Aussprüche hochmütig und herzlos, ja, oft sogar dumm erschienen? Sie waren doch in Brasilien ein Herz und eine Seele gewesen.
    »Jetta, du machst ja ein Gesicht wie unsere holdselige Miß, wenn sie Migräne hat«, lachte Anita plötzlich laut auf. »Jimmy, sieh dir doch mal die Jetta an. Komm, streichle sie!« Mit einem geschickten Schwunge warf sie das Äffchen Marietta zu. Die schrie laut auf vor Schreck. Sie hatte noch immer keine besonderen Sympathien für den kleinen Vierhänder, wenn sie sich auch an ihn gewöhnt hatte.
    Die Vase, die sie in den Händen hielt, kippte um. Das Wasser ergoß sich über Großmamas hübsche Kaffeedecke. Marietta, starr vor Schreck, fing an zu weinen, während Jimmy mit flinkem Züngelchen die Überschwemmung aufzulecken begann. Anita hielt sich die Seiten vor Lachen.
    Die beiden hatten in dem Tumult das Knarren der Gartentür vollständig überhört. Erst als Schritte näher kamen, als eine Männerstimme rief: »Da hätten wir ja die beiden Tropenpflänzchen«, als eine schlanke Dame die lachende Anita in ihre Arme zog und herzlich küßte, sahen sie, daß der erwartete Besuch bereits da war. Anita wandte unbehaglich den Kopf zur Seite.
    »Nun, mein Mädel, ich bin die Schwester eurer lieben Mutter, Tante Vronli, der werdet ihr schon einen richtigen Kuß gestatten«, sagte die Dame und zog jetzt ohne weiteres die weinende Marietta in die Arme. Der wurde es warm ums Herz bei der herzlichen Begrüßung, während Anita den einfachen Anzug der Tante ziemlich geringschätzig musterte. Da sah ihre schöne Mutter doch ganz anders aus.
    Kaum denkbar, daß die beiden Schwestern waren. Auch der Onkel mit seinem langen, schwarzen Rock und der goldenen Brille sah merkwürdig aus.
    Gerda hatte sich während der ersten Begrüßung schüchtern hinter dem Vater gehalten. So war sie. Sie hatte die Minuten bis zu dem ersten Zusammensein mit den brasilianischen Kusinen gezählt - und nun, da sie leibhaftig vor ihr standen, hätte sie sich am liebsten in ein Mauseloch verkrochen. Sie waren auch ganz anders, als sie sich diese vorgestellt hatte. Die eine so groß, so überlegen, und alle beide so schön und so elegant. Die mit den schwarzen Locken in dem orangefarbenen Seidenkleid schaute aus wie eine Prinzessin. Die andere Goldbraune in mattblauer Seide gefiel Gerda eigentlich noch besser. In stummer Bewunderung stand sie da. Da schob sie ihr Vater einen Schritt vorwärts. »Na, die Sprache verloren, Gerda? Komm, mach dich mit deinen Kusinen bekannt. Du konntest die Zeit ja gar nicht erwarten.«
    Gerda wurde rot, weil der Vater dies so unverhohlen mitteilte. Dann trat sie mit schnellem Entschluß auf Marietta zu, denn die flößte ihr mehr Zutrauen ein.
    »Guten Tag«, sagte sie, »ich bin Gerda Ebert. Wir sind Kusinen«, fügte sie noch hinzu, da Marietta sowohl wie Anita stumm blieben.
    Frau Vronli sah den Zug der Enttäuschung um Gerdas Mundwinkel. Sie kam ihr zu Hilfe. »Nun, Kinder, wie gefällt es euch denn bei uns in Europa?« vermittelte sie die Unterhaltung.
    »Gar nicht«, hätte Anita am liebsten geantwortet. Aber gesellschaftlich liebenswürdig, wie sie Fremden gegenüber war, neigte sie das Köpfchen und sagte nur: »Oh, danke, ein bißchen gut.«
    »Nun, das klingt nicht sehr verheißungsvoll, darauf kann Europa nicht stolz sein.« Der Professor lachte dröhnend. Anita

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