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Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Titel: Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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sie zur Stelle. Aber noch mehr fleißige Hausgeisterchen meldeten sich. Die drei durch den abendlichen Garten spazierenden Damen trauten ihren Augen nicht. Marietta und Anita - tatsächlich auch Anita - legten mit Hand an. Auch die drei kleinen Mädchen Lilli, Evchen und Lottchen halfen nach Kräften. Eins, zwei, drei erstand ein Tischleindeckdich.
    »So ist es, das Mädel - unberechenbar. Eben noch Auflehnung und Starrsinn, und im nächsten Augenblick liebenswürdig und unbefangen, daß man ihr gar nicht böse sein kann. Und wenn sie ihre Geige zur Hand nimmt, ist sie wie ausgewechselt. Nicht zum Wiedererkennen. Weich und seelenvoll wie ihr Spiel. Sie hat einen wundervollen Strich und ist durch und durch musikalisch.«
    »Und die andere?« erkundigte sich Frau Vronli. »Hat Marietta auch das musikalische Talent ihrer Eltern geerbt?«
    »Marietta hat ein nettes, sympathisches Stimmchen, das sich erst entwickeln muß. Mit Ursels Stimme nicht zu vergleichen.«
    Im Vorübergehen fingen die Damen einige Worte der jungen Mädchen auf. »Na, macht's nicht Spaß, wenn wir alle miteinander helfen?« fragte Gerda die Kusinen. Marietta bejahte, während Anita die Achsel zuckte. »Nicht mir. Ich nur helfe, daß wir können spielen weiter. Ich werde kaufen Fußball. Können wir machen Wettspiel das nächste Sonntag.«
    »Fußball spielen keine Mädchen. Das ist ein Spiel für Jungen«, erklärte Gerda. »Nun wollen wir mal sehen«, sagte die Großmama scherzend, »ob Gerda eher das Fußballspiel von den brasilianischen Kusinen erlernen wird oder diese von ihr deutsche Weiblichkeit.«

Deutsche Schule
     
    Lange hatte Frau Annemarie geschwankt, ob sie die Enkelinnen in eine richtige Schule schicken sollte. Für die Klasse, in die sie ihrem Alter nach paßten, hatten sie sicher nicht die erforderliche Reife. Wenn sie auch in Sprachen, ja, vielleicht auch im Rechnen weiter waren. Aber alles, was mit der deutschen Sprache zusammenhing, Grammatik, Literatur, Geschichte, zeigte klaffende Lücken. Die Großmama war dafür, diese erst durch Privatunterricht ausfüllen zu lassen, damit die Kinder nicht die Freude an der Schule verlören.
    Sie hatte an ihren Schwiegersohn Georg Ebert dabei gedacht. Aber erstens war die Entfernung vom Wedding nach Lichterfelde für einen regelmäßigen Unterricht zu groß, und dann hatte Doktor Ebert sich auf die Seite des alten Geheimrats gestellt. Der fand Schuldisziplin für die beiden Enkelinnen unbedingt notwendig. Je eher, desto besser. Es schadete gar nichts, wenn sie sahen, daß andere mehr wußten als sie. Auch war es der Wunsch ihrer Mutter, daß die Kinder in eine deutsche Schule gehen sollten. So waren die beiden Enkelinnen in dasselbe Mädchenlyzeum, das einst ihre Mutter besucht hatte, eingeschult worden.
    Die Großmama hatte neue, blauweiß gepunktete Musselinkleider für den Schulbesuch und haltbares Schuhzeug besorgt. Aber Anita war nicht zu bewegen, es anzuziehen. »Sieht aus wie armes Leute - Tavaressche Tochter nicht gehen so!«
    Dabei blieb sie. Auch Marietta, die gewöhnt war, in ihrer Tropenheimat nur helle Farben zu tragen, war durch das dunkle Kleid in ihrem Schönheitssinn verletzt. Der Großmama zu Gefallen legte sie es an, rief aber sofort, halb entsetzt, halb lachend: »O nein, so wir nicht können gehen.«
    »Aber Kind, ich weiß nicht, was du willst. Nett und ordentlich siehst du aus, wie es sich für den Schulbesuch gehört«, ereiferte sich die Großmama. »Eilt euch, daß ihr pünktlich vor Beginn da seid.«
    Marietta begann zu weinen, denn sie fand sich in dem blauweißen Kleid gräßlich, wagte aber nicht mehr zu widersprechen.
    Anita wischte der Schwester energisch die Tränen fort. »Weinen wegen dumme Kleider - dann wir nicht gehen in Schule. Ist mir recht.«
    Diesmal brachte Miß Smith einen Ausgleich zustande. »Die Girls haben einfache weiße Batistkleider für Sportzwecke. Diese wären auch für die Schule geeignet«, schlug sie vor. »Nun, so sehr geeignet kann ich weiße Kleider nicht finden«, meinte die Großmama. »Aber meinetwegen.«
    Als dann die Enkelinnen in den weißen Kleidern an der Seite von Miß Smith Grüße über das Gartengitter zu der auf der Blumenterrasse Sitzenden zurücksandten, kam sich die alte Dame recht schwankend vor. »Ich tauge nicht mehr dazu, Kinder zu erziehen«, sagte sie seufzend. »Aber die Hauptsache ist doch, daß sie die Schule nicht versäumen.« Nein, sie waren pünktlich. Gleich an der nächsten Straßenecke hatte Anita ein

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