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Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Titel: Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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der Heimat entschädigt werden. Bis zum Frühling beabsichtigte Milton Tavares in Deutschland zu bleiben. So konnten auch die Töchter ihr deutsches Schuljahr, wie geplant, vollenden. Letzteres hielt Anita durchaus nicht für notwendig. Sie hatte der Schule im Laufe der Zeit ganz und gar nicht mehr Geschmack abgewonnen und war nach wie vor eine schwierige Schülerin. Marietta dagegen lernte mit Eifer und war mit Fleiß bemüht, die Lücken in ihrem Wissen auszufüllen. Anita war ehrgeizig. Sie war es gewöhnt, Marietta überall in den Schatten zu stellen. Sie konnte nicht hinter der Schwester zurückbleiben. Da sie eine gute Auffassungsgabe hatte und Marietta ihr getreulich half, kam sie einigermaßen mit.
    Milton Tavares hatte eine Dreizimmerwohnung in einer der gegenüberliegenden Villen in Lichterfelde mit seiner Frau bezogen. Er war zu sehr an Luxus und jede Bequemlichkeit gewöhnt, um mit einem bescheidenen Plätzchen im Hause seiner Schwiegereltern fürlieb zu nehmen. Ursel wurde es schwer, aus dem gemütlichen Biedermeierzimmer in die Nachbarvilla überzusiedeln. Aber Frau Annemarie zeigte mal wieder ihre uneigennützige Güte und ihre Klugheit. Sie selbst war es, die der Tochter riet, eine Wohnung in der Nähe zu nehmen. Bei einem monatelangen Aufenthalt durfte Milton nicht zuviel entbehren. Er mußte als Gast im Hause der Schwiegereltern Rücksicht nehmen. Das ging für kurze Zeit, aber nicht für einen Zeitraum von Monaten. Die kluge Mutter fühlte es, daß sie ihr Kind länger behielt, wenn es nicht bei ihr wohnen würde. Auch durfte der Vater in seinen mit der Zeit ein wenig pedantisch gewordenen Gewohnheiten in keiner Weise beeinträchtigt werden.
    Die Enkel waren im großväterlichen Hause geblieben. Die gab die Großmama nicht her. Klein-Juan, oder vielmehr Klein-Hansel, wie die Großeltern ihn nannten, war der Liebling des Hauses geworden. Er war ein drolliges, sonniges Kerlchen, das bald recht nett Deutsch sprechen lernte. Am liebsten saß er auf dem Kinderstühlchen, das wieder vom Boden heruntergeholt worden war, neben der Omama und ließ sich von ihr Märchen erzählen. Aber auch die großen Schwestern stellten sich dazu ein. Der Zauber des deutschen Märchens hielt die Tropenkinder umfangen. Da vergaßen sie es, daß kalter Herbstwind an den Fenstern rüttelte.
    Aber eines Morgens, als die drei die Augen aufschlugen, da war Großmamas Märchen von Frau Holle Wirklichkeit geworden. Mit einem weißen Teppich hatte sich der Garten geschmückt. Die alte Linde trug einen Hermelinpelz. Weiß, weiß alles, wohin man auch blickte. Und immer neue Silbersternchen jagten, wirbelten und tanzten durch die Luft. »Schnee - der erste Schnee!« Andächtig stand Marietta vor diesem Wunder, das sie noch nie geschaut. Auch Anita fand das Wintermärchen recht lustig. Klein-Juan aber rief entzückt: »Zucker - oh, soviel Zucker!« »Ei, leck einmal den Zucker, Hansel«, neckte der Großpapa.
    Frau Ursel wurde wieder Kind mit ihren Kindern. Was gab das für ein Lachen, für ein Jauchzen und Kreischen um die alte, verschlafene Linde herum. Da flogen die Schneebälle, da baute man dem kleinen Juan einen großen Schneemann mit einer stattlichen Mohrrübennase und blanken, schwarzen Kohlenaugen. Da zog Homer den kleinen Brasilianer im Schlitten durch die verschneiten Gartenwege und sah selbst wie ein drolliger kleiner Schneemann mit kohlrabenschwarzem Gesicht aus. Ja, selbst die Großmama wurde wieder jung und verließ ihr Erkerplätzchen.
    Wenn sie sich auch nicht mehr an der Schneeballschlacht beteiligte, sie ließ es sich nicht nehmen, den Schneemann mit einem alten Zylinderhut ihres Mannes und einem Reisigbesen eigenhändig zu schmücken.
    »Klinglingling« - durch die verschneite Villenstraße fuhren die schellenbehangenen Schlitten. Von den Fenstern der Nachbarvillen blickte man ihnen nach. Aha, die Brasilianer! Man kannte Geheimrats Enkelkinder hier draußen.
    Das Weihnachtsfest kam heran mit seinen Geheimnissen, seinen Überraschungen, mit seinen verschlossenen Türen und der Neugier der Kinder. Deutsche Weihnacht. Sie wob ihren Zauberkreis auch um die Tropenbewohner. Keine glühende Sonne wie daheim am Weihnachtsfeste - Schnee - Silberschnee, soweit das Auge reichte. Und drinnen im Wohnzimmer der Großeltern die lichterbeglänzte Weihnachtstanne von der Erde bis hinauf zur Zimmerdecke. Jubelnde Enkelkinder darunter. Alle hatte die Großmama unter dem Weihnachtsbaum versammelt, Kinder und Enkel, keins durfte

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