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Nesthäkchen 10 - Nesthäkchen im weissen Haar

Nesthäkchen 10 - Nesthäkchen im weissen Haar

Titel: Nesthäkchen 10 - Nesthäkchen im weissen Haar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Verarbeitung ihren Gesellen, zu denen sich auch die Großmama zählte. Da kam auch Lilli von ihrem Radio, wenn auch nur zögernd, herbei und ließ sich Beschäftigung anweisen. Das gute Beispiel wirkte. Die Jungen mochten nun aber auch nicht müßig dabeisitzen.
    »Wir wollen auch nähen helfen«, rief Heinz, der kleinste.
    »Kommt her, Edchen und Heini«, rief Marietta, »hier gibt's Jungenarbeit. Wir bringen den Kaufmannsladen wieder in Ordnung und kleben die zerrissenen Bilderbücher. Herr Kunze hat Leim und Kleister, bittet ihn darum.«
    »Unser Tropenprinzeßchen will sich nur selber vom Nähen drücken«, zog sie Gerda lachend auf. »Stimmt's Jetta?«
    »Freilich.« Marietta lachte mit den andern mit. »Fürs Nähen kann ich mich noch immer nicht begeistern, obwohl ich doch eigentlich vor keiner Arbeit zurückschrecke. Aber ihr macht das tausendmal besser als ich.«
    »Und wir brauchen Jetta überhaupt notwendig.« Die Jungen zogen die große Kusine zu ihrer Werkstatt.
    Alles arbeitete emsig. Scherzworte flogen hin und her. Was schadete es, daß Lilli einen Ärmel oben zunähte und Heini dem Kaufmann, dem er ein Bein anleimen wollte, auch noch den Kopf abriß? Das ließ sich wieder gutmachen und gab nur Stoff zum Lachen. Man wußte nicht, wo die Zeit heute blieb. Als Frau Trudchen mit den Abendbrottellern erschien, war man empört, schon so früh gestört zu werden.
    »Nächsten Sonntag weiter«, tröstete Tante Vronli die Kinder. »Seht nur mal, was wir schon alles geschafft haben.«
    »Ja, arbeitet nur am nächsten Sonntag alle wieder, so ungestört haben wir noch nie unsere Skatpartie machen können wie heute«, stellte einer der Skatspieler frohlockend fest. »Ich lade euch zur Belohnung für euren Fleiß zur Weihnachtsbescherung in den Kinderhort ein«, versprach Marietta den Kusinen und kleinen Vettern. »Ihr müßt doch sehen, wie sich meine Kinder über eure Gaben freuen.«
    »Au ja - au ja!« Sie kannten sie bereits aus Mariettas Erzählungen, den drolligen Gustel, das Lenchen mit dem Zigarrenbändchen, Paulchen mit dem Schmutznäschen, das niedliche Kätchen und wie sie alle hießen. »Mich nehmen Sie auch mit, Fräulein Marietta, ja?« bat Lotte. »Aber freilich, Lottchen, du hast ja so fleißig Kinderstrümpfchen gestopft.« Am Sonntag, wenn die Kinder da waren, durfte Lottchen ebenfalls an der allgemeinen Tafel teilnehmen. Sie hatte allerdings in Gemeinschaft mit Lilli dabei auch Pflichten. Sie reichte mit eingemachten Früchten garnierten Heringssalat - das feststehende Sonntagsabendmenü - und die Berge von belegten Brötchen herum. Aber man machte ihnen das nicht allzu schwer. Es war erstaunlich, mit welchem Eifer man dabei war, ihnen die schweren Schüsseln zu erleichtern. Und heute hatte man, wohl von der eifrigen Arbeit, ganz besonderen Appetit. Onkel Hans schlug ans Glas und brachte einen Toast auf das brasilianische Brautpaar aus. Da durchzuckte es Marietta wieder. Bei der befriedigenden Arbeit für andere hatte sie kaum mehr daran gedacht, daß jenseits des Äquators in ihrem Elternhaus Freude und Leid so dicht beieinander waren. »Und nun leere ich mein Glas auf eine baldige Nachfolge unserer jungen Damen.« Onkel Hans trank seinen Nichten Gerda und Marietta blinzelnd zu. Aber die beiden schüttelten den Kopf: »Wir haben gar keine Zeit dazu, unsere soziale Arbeit nimmt uns vollständig in Anspruch«, protestierte Gerda. Marietta stimmte ein. Nur Lilli, der frischgebackene Backfisch, stieß mit dem Vater auf baldige Nachfolge an.
    »Und ich trink' halt auf die baldige Heimkehr des Jungen. Der Horst ist nimmer für Amerika geschaffen!« rief der alte Geheimrat. Wieder klangen die Gläser zusammen, nur die Großmama sah, daß Marietta sich nicht daran beteiligte. Was hatte das Kind denn nur?

Weihnachtslichter
     
    Frühe Dämmerung legte sich über die Stadt. Die wenigen Schneeflocken, die am Heiligabend gefallen waren, waren von Tausenden von eiligen Füßen schon längst wieder zu einem bräunlichen Brei verwandelt worden. Aber die Luft hatte etwas Weihnachtliches. Der Wald war nach Berlin gekommen. Tausende von Tannen waren dem Heimatboden entrissen, um dem müden Großstädter ein Stückchen Waldespoesie vorzuzaubern. Da standen sie an den Straßenecken und Plätzen und hauchten ihren harzigen Duft in die dicke, qualmige Stadtluft. Die großen, hohen Tannen waren fast alle schon in die reichen Häuser, in große Festsäle gewandert. Nur die kleinen Bäumchen standen noch bescheiden da,

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