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Nesthäkchen 10 - Nesthäkchen im weissen Haar

Nesthäkchen 10 - Nesthäkchen im weissen Haar

Titel: Nesthäkchen 10 - Nesthäkchen im weissen Haar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Filiale des Exporthauses in New York habe sich glänzend eingeführt. Nun wolle Horst versuchen, in Deutschland, in Hamburg, Bremen oder auch in Berlin, eine Importfiliale des Tavaresschen Unternehmens zu begründen. Es läge eine große Aufgabe mit starker Verantwortung auf seinen Schultern, aber er freue sich auf die Arbeit in der Heimat. »Und Juan, bitte, erzähle mir noch von meinem kleinen Juan, Horst. Von ihm und auch von - Anita«, bat Marietta.
    »Nun, Juan ist ein Prachtkerlchen, nur sollte er in festere Hände kommen. Vater und Mutter verziehen den Jungen - es ist schade um seine guten Charakteranlagen. Ein paar Jahre in Deutschland in energischeren Händen täten ihm gut.«
    »Der Vater gibt seinen Jungen nicht her, Horst. Von dem trennt er sich nicht«, lächelte Marietta. »Aber du hast recht. Ich habe bei dem letzten Besuch meiner Angehörigen Ähnliches gedacht.« Sie schwieg. Zum zweiten Male mochte sie die Frage nach der Schwester nicht tun.
    Horst schien ihre Gedanken zu erraten. »Bleibt nur noch von Anita zu berichten. Ich hoffe, daß sie glücklich geworden ist. Sie wird bewundert und verwöhnt - mehr bedarf es wohl für sie nicht zum Gluck.«
    Marietta warf einen prüfenden Blick auf Horsts ruhiges, keinerlei Erregung zeigendes Gesicht. Hatte er es wirklich ganz überwunden?
    »Nun bist du dran, Dirn. Erzähle von Tante Annemarie und Onkel Rudi, und auch von meinen beiden Alten«, verlangte der Vetter.
    Und Marietta berichtete. Von den Sonnentagen an der Waterkant, von dem herzerfrischenden Leben auf Lüttgenheide. Welche Freude Horsts Briefe verursacht hatten und wie sein Vating pfeifequalmend auf Brasilien geschimpft habe. Wie wohl sie sich selbst an der Waterkant gefühlt habe, bis das Furchtbare kam. Horst wußte bereits durch seine Mutter von der Augenoperation des Onkels. Aber als Marietta in knappen Worten die Schreckenstage schilderte, griff er mitleidig nach ihrer Hand. »Ihr Ärmsten, was müßt ihr gelitten haben!«
    »Ich bin damals unter der Nachricht zusammengebrochen. Aber die Großmama hat ihre ganze Seelenstärke dabei offenbart.« Sobald Marietta auf die Großmutter zu sprechen kam, wurde ihr Ton wärmer.
    »Nun zu dir, Jetta. Von dir sprichst du gar nicht. Erzähle mir von dir«, drängte der Vetter.
    »Von mir - oh, da ist nicht viel zu berichten. Ich fühle mich durch meine Tätigkeit in der Frauenschule sehr befriedigt. Ich werde Jugendfürsorgerin. In einem Jahr mache ich mein staatliches Schlußexamen. Mein Zukunftsplan geht zur Waterkant ...« Sie errötete und machte eine kleine Pause. Bisher hatte sie noch mit keinem Menschen, nicht einmal mit der Großmama, darüber gesprochen.
    »An die Waterkant - inwiefern?« Horst Braun rief es sichtlich erregt. Er runzelte die Stirn. Hatte Marietta es einem der umwohnenden Gutsbesitzer angetan? Ein Wunder wäre es freilich nicht bei ihrem Liebreiz.
    »Ich will meinen Vater bitten, Grotgenheide zu erwerben. Sie müssen verkaufen. Der Kaufpreis ist für brasilianische Begriffe nicht allzu hoch. Und so käme das Gut doch wenigstens nicht in fremde Hände. Tante Marlene könnte dort wohnen bleiben und Vera und ihr Mann als Pächter das Gut weiterbewirtschaften.«
    Horst Braun schwieg. Seine Stirn glättete sich nicht. »Zu welchem Zweck willst du Grotgenheide erwerben, Jetta?« forschte er weiter.
    »Ich möchte dort ein Erholungsheim für arme Kinder errichten. In dem sie nicht nur für kurze Ferienwochen, sondern vielleicht sogar für Jahre Aufenthalt finden. Ich habe es mir zur Lebensaufgabe gestellt, diesen armen Kleinen Gesundheit und Jugendfrohsinn zu verschaffen - soweit es in meiner Macht steht.« Das zarte Rot auf Mariettas Wangen hatte sich vertieft. Zum erstenmal offenbarte sie ihre innersten Wünsche. Leuchtender blickten die blauen Augen des Vetters. Warm umfaßte sein Blick das selbstlose, schöne Mädchen.
    »Deine Lebensaufgabe, Jetta?« fragte er bedeutsam. »Ein Mädchen wie du hat wohl noch eine andere Lebensaufgabe.« Sein aufstrahlender Blick sprach weiter, was die Lippen verschwiegen. Er machte, daß Marietta sich verwirrt von ihrem Platze erhob. »Wir wollen zahlen, Horst«, sagte sie ablenkend. »Ich möchte dir noch die Stadt zeigen. Um fünf Uhr wollen wir an der Piazza di Ferrari bei Sanini & Co. landen. Onkel Enrico nimmt uns in seinem Auto mit nach St. Margherita hinaus.«
    Sie machten eine Rundfahrt am Meer und an den Bergen entlang und genossen den zauberhaften Anblick der herrlichen Stadt. Sie nahmen

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