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Nestor Burma in der Klemme

Nestor Burma in der Klemme

Titel: Nestor Burma in der Klemme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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seines Idols durch den Mord an
dem Verräter gerächt hatte. Die Streiter für Recht und Ordnung zogen diesen
Schluß nur zu gerne. Um so mehr, da die Geldscheine in der Wohnung des Opfers
denselben Parfümduft verbreiteten wie der Kümmerling.
    Als ich das hörte, muß ich wohl ein ziemlich
blödes Gesicht gemacht haben. Faroux lachte schallend und erzählte mir die Geschichte
des Chicago-Dollars. Das Geldstück war wiederholt in den verkrampften Händen
von Leichen gefunden worden, die ihre Komplizen verraten hatten — als sie noch
reden konnten. Ein Symbol, das an die Silberlinge des Judas’ erinnern sollte.
Nicht ausgeschlossen, daß der Zwerg auf dieselbe Weise auf seine Tat aufmerksam
machen wollte.
    „Zehntausend,“ bemerkte ich zweifelnd, „das ist
‘n hübsches Sümmchen! Hundert hätten’s auch getan.“
    „Wahrscheinlich wollte er durch die Höhe der
Summe auf die Schwere des Verrats hinweisen“, erklärte Faroux schulmeisterlich.
    „Hm...“
    „Diese armen Teufel sind alle ein wenig
plemplem“, fügte mein Freund hinzu, um seine Begründung plausibler zu machen.
    „Kann schon sein... aber trotzdem...
Zehntausend! Gestatten ihm denn seine finanziellen Verhältnisse so’ne teure
Laune?“
    „Nein. Hat wohl alles zusammengekratzt und sich
den Rest geliehen. Es waren Scheine zu 100 und 500...“
    „Kurz und gut, Sie haben den Täter?“
    „Das haben Sie gesagt! Im Moment kann man nur
von einer Hypothese sprechen, mehr nicht. Unsere Vermutungen sind aber nicht
von der Hand zu weisen. Vor allem das Parfüm deutet auf diesen Mac hin. Und
vergessen Sie nicht, daß der Täter von kleiner Statur gewesen sein muß! Ein
normal großer Mann hätte schon vor dem Opfer knien müssen. Diese Möglichkeit
können Sie sich ja mal durch den Kopf gehen lassen“, schloß der Inspektor
lachend.
    „Werd drüber nachdenken. Haben Sie die Tatwaffe
gefunden?“
    „Wenn wir die hätten, wären wir schon ein paar
Schritte weiter. Nicht mal ‘ne Knallkorkenpistole haben wir bei dem Knirps
gefunden... Und jetzt sollten Sie ins Bett gehen, Burma.“
    Ungeduldig trat Faroux von einem Bein aufs
andere.
    „Sie sind schon der zweite heute abend, der mich
vor die Tür setzt. Sich widersetzen hat wohl keinen Zweck, hm? Also, gute Nacht,
Faroux. Sie können jetzt tun, was Sie unbedingt tun müssen. Die Tür befindet
sich am Ende des Korridors.
     
    * * *
     
    Auf dem Weg zur Rue Fontaine mußte ich viermal
meinen Ausweis vorzeigen. Zweimal den Flics und zweimal deutschen Patrouillen.
Ich ging in das erstbeste Lokal, das von „22 Uhr bis morgens“ geöffnet hatte.
    Ein Dutzend bildhübscher Mädchen — wie auf dem
Plakat draußen versprochen — stolzierte zu den Klängen einer schmalzigen Musik
über die Bühne. Der Grund für ihre spärliche Bekleidung war wohl kaum die
allgemeine Textilknappheit. Ein verführerisches Schauspiel, aber ich war nicht
gekommen, um mich verführen zu lassen und mir die Augen aus dem Kopf zu gucken.
Ich bestellte mir was an der Bar, trank einen Schluck und ging zum Telefon. In
der Wohnung von Jojo Debeckar, dem Athleten unter meinen Freunden, klingelte es
dreimal. Ich fürchtete schon, er sei mit einer seiner Bewunderinnen
beschäftigt, als Herkules sich mit einem verschlafenen „Hallo“ meldete.
    „Salut, Jojo“, begrüßte ich ihn. „Hier Nestor
Burma. Bist du eigentlich immer noch beim Médrano?“
    „Hast du mich deshalb geweckt?“ knurrte er.
    „Nein. Ich wollte dich fragen, ob du einen Zwerg
namens Mac kennst.“
    „Mac Guffine?“
    „Kann sein. Ist er Ire?“
    Jojos Lachen ließ beinahe die Strippe platzen.
    „Vor allen Dingen ist er Ire! Im 14.
Arrondissement ist er unter dem Namen Dubois gemeldet.“
    „Hätte gerne seine Adresse.“
    „Willst du ihn für dich arbeiten lassen? Für ‘ne
Beschattung in der Metro ist er der ideale Mann. Auf Stelzen fällt er in der
Menge kaum auf.“
    „Hab die Absicht, ihn ins Dekolleté einer Dame
krabbeln und interessante Geheimnisse lüften zu lassen.“
    „Das wird ihm gefallen! Steckt voller Komplexe
und ist ganz wild auf solche Entdeckungsreisen.“
    „Wo wohnt er?“
    „Eine Sekunde.“
    Ich wartete acht, dann hörte ich wieder Jojos
Stimme:
    „Hôtel des Deux-Jumeaux, Rue de la Tour-d’Auvergne.“
     
    * * *
     
    Das Hotel war noch düsterer als die Straße. Die
Eingangstür war geschlossen. Ich drückte auf die Klingel. Der Nachtportier
hatte einen festen Schlaf. Es dauerte eine ganze Weile, bis er mir öffnete.

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