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Nestor Burma in der Klemme

Nestor Burma in der Klemme

Titel: Nestor Burma in der Klemme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Ich
nutzte die Zeit, um meinen Hut so zu verbeulen, daß er mir das Aussehen eines
Herrn von der Tour Pointue gab. „Polizei“, sagte ich und zeigte ihm eine
Visitenkarte, deren blauweißrote Streifen allerdings nichts mit der Trikolore
zu tun hatten. Ich murmelte noch was von einer letzten Durchsuchung bei Mac
Guffine-Dubois, und das sei wirklich nicht mehr feierlich, den ganzen Tag auf
den Beinen und jetzt auch noch nachts...
    „Mein Gott“, sagte der Portier gähnend, „wenn
Ihnen der Beruf nicht gefällt, warum machen Sie dann nicht was andres und
lassen den armen Teufel in Ruhe?“
    Er gab mir den Zimmerschlüssel und beschrieb mir
mit einer vagen Geste den Weg nach oben. Dann schlurfte er wieder zu seinem
Bett. An der Zimmerdurchsuchung schien er nicht das geringste Interesse zu
haben.
    Als ich die Tür des Zwerges öffnete, stieg mir
sofort wieder dieser Parfümduft in die Nase. Drei Fläschchen standen von dem
Zeug auf der Glasplatte über dem Waschbecken. Zwei waren leer, eins halbleer.
Das Parfüm hieß Dernier Soir, und der Fabrikant war Mirey in der Rue de
la Paix.
    Auf dem Boden lagen zwei Koffer, die geleert und
dann wieder vollgestopft waren. Ohne Resultat durchsuchte ich das von Faroux
und seinem Kollegen hinterlassene Durcheinander. Auch der Schrank mit den
Glastüren gab nichts her. In der Schublade eines kleines Tischchens fand ich
Programme, Briefpapier und einen Stapel Werbefotos. Ganz besondere
Aufmerksamkeit widmete ich Bildern aus La Vie Parisienne und Sex-Appeal. Warum so was gegen die guten Sitten verstoßen soll, hab ich nie begriffen.
    Die Wände waren mit Fotos beklebt. Lächelnde
Filmstars wachten über den Schlaf und die unbefriedigten Wunschträume des
kleinen Kerls. Männliche Schauspieler hatten dort keinen Platz.
    Seit Jojo Debeckar im Wartezimmer eines
Zahnarztes einen populärwissenschaftlichen Bericht über Psychoanalyse gelesen
hatte, witterte er überall und bei jedem einen Komplex. Aber hier übertrieb er
wohl nicht. Mac litt offensichtlich sehr unter seiner körperlichen
Benachteiligung.
    Ich nahm drei Fotos, die mich ganz besonders
interessierten, von der Wandgalerie. Ein viertes entdeckte ich in einem Buch
auf dem Nachttisch. Die ersten drei Fotos waren das Werk eines Profis, dessen
Namenszeichen allerdings der Schere zum Opfer gefallen war. Das vierte — das
Lesezeichen in dem Buch — stammte jedoch von einem Amateur. Dem Schußwinkel
nach zu urteilen, hatte es der Zwerg persönlich aufgenommen. Und zwar ohne das
Wissen des Paares, das auf dem Foto abgebildet war.
    Die Frau war deutlich zu erkennen. Von dem Mann
sah man nur das Kinn. Der Rest des Gesichtes fiel sozusagen aus dem Rahmen.
    Bis auf die wechselnde Mode handelte es sich auf
allen vier Fotos um ein und dieselbe Person: Lydia Verbois!
    Ich steckte die Abzüge ein, verließ das Hotel
und ging schlafen.

10

Der Tote am Steuer
     
    Ich schlief mit Kopfschmerzen ein, nieste
mehrmals im Laufe der Nacht und wachte, wie’s der gute Monsieur Chabrot
prophezeit hatte, mit einer Grippe auf. Unter der Dusche fiel mir ein, daß
Florimond Faroux bei seiner Erzählung vom Goldzug-Coup eines unterschlagen
hatte. So hatte er zum Beispiel nichts von einem Zwerg oder von anderen
Freunden Thévenons erwähnt. Wahrscheinlich waren das für ihn belanglose
Details. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als in die Bibliothèque
Nationale zu gehen und mich aus den damaligen Zeitungsberichten in allen
Einzelheiten über den Fall zu informieren.
    Eine Viertelstunde später saß ich in der Metro
zwischen einer dicken Frau und einem schmächtigen Brillenträger, der in der
Morgenausgabe einer Zeitung las. Ich schielte zu ihm rüber und las mit.
    Gestern noch war Bartons Leiche den Zeitungen
nur eine Dreizeilenmeldung wert gewesen. Was jetzt im Rhythmus der Metro vor
meinen Augen tanzte, war weniger lakonisch. Eine fette Überschrift erinnerte an
den Raub von 1938. Bis ich wieder’ an die Oberfläche gespült wurde, hatte ich
Gelegenheit, weitere Blicke auf andere Zeitungen zu werfen. Alle räumten
Barton, Thévenon und ihrem historischen Fischzug einen relativ großen Platz
ein.
    Bevor ich die Bibliothèque Nationale betrat, ging ich in Fir-mins Bistro in die Rue des Petits-Champs. Der Kerl an
der Theke, der Mademoiselle Marguerite mit dummem Zeug vollquatschte, hatte
Tränensäcke unter den Augen und dazu die passende Hose an. Seine leuchtendrote
Nase war nicht das Werk einer Grippe, so wie bei mir. Als ich meinen Gruß in
die

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