Nestor Burma in der Klemme
kamen aus der Waffe von Vallier. Blieben
noch sieben weitere Kugeln. Die Polizei vermutete, daß Thévenon seinen Revolver
weggeworfen hatte; aber sie konnten das Ding nicht finden! Und dann, ein paar
Tage nach Thévenons Verhaftung, erhielt die Kripo ein Paket durch die Post.
Inhalt: 7,35er Webley, den die Experten als Tatwaffe identifizierten. Thévenon
soll angeblich verblüfft gewesen sein, als man ihm die Waffe zeigte. Dann
wollte er sich aber gar nicht mehr einkriegen vor Lachen, stammelte nur ,Herrlich...
Also wirklich, man kann gar nicht vorsichtig genug sein... Hab ja schon ‘ne
Menge Schlitzohren gesehen, aber ich bin schlauer als alle andern…’ Und dann
machte er sich nur noch lustig über die armen Flics. Wenn einer die Jungs von
der Tour Pointue auf die Palme gebracht hat, dann er! Als sie ihn
aufforderten, eine Erklärung abzugeben, hat er nur zugegeben, daß es sich um
seine Waffe handele.“
„Und wer hat den Revolver an die Kripo
geschickt?“
„Jemand, dem Thévenon die Waffe anvertraut
hatte. Jemand, der sich nicht kompromittieren wollte... oder der sich rächen
wollte. Jedenfalls kein Stammkunde der Tour Pointue .“
„Hat man ihn gefunden?“
„Nein, er läuft noch frei rum.“
„Wie können Sie dann so sicher sein, daß er kein
Stammkunde der Kripo war?“
Marc stieß einen tiefen Seufzer aus.
„Mein allerliebster Herr Detektiv! Der Absender
hatte seine Fingerabdrücke auf dem Revolver hinterlassen. Ein aktenkundiger
Verbrecher hätte sich mehr Mühe gegeben, diese Spuren zu verwischen. Vor allem
weil einer der Abdrücke besonders auffällig war, eine kreuzförmige Narbe, gut
sichtbar. Kein Fingerabdruck in der gesamten Sammlung kam in Frage. Und Sie
wollen nicht glauben, daß das ein Heiliger war?“
„Oder ein Scheinheiliger... Ein Zwerg wurde
nicht damit in Verbindung gebracht?“
„Sie sprechen von Mac Guffine? Der war auch eine
Entdeckung von mir! Hab ihn im Zirkus Omer aufgegabelt. Mac ist kein
Verbrecher. Nur ein Freund von Thévenon, den er abgöttisch liebte. Fünf Stunden
vor Thévenons Hinrichtung kriegte er während der Vorstellung einen Weinkrampf,
so als hätte er ‘ne Vorahnung gehabt. Stürzt bei seiner Nummer ab und verletzt
sich schwer. Wirklich tragisch!“
„Wird er leicht nervös?“
„Ja und nein. Seine Zirkusnummer jedenfalls
erfordert jede Menge Kaltblütigkeit.“
„Wie würden Sie jemanden bezeichnen, der Ihnen
einreden will, Mac habe Barton umgebracht?“
„Einen Nestor Burma würde ich einen
Geheimniskrämer nennen, aber in diesem Fall wär seine Vermutung gar nicht so
blöd. Mac hat damals vage Drohungen ausgestoßen, über die wir uns köstlich
amüsiert haben. Ein Zwerg! Können Sie sich das vorstellen? Wir haben sogar
Wetten abgeschlossen...“
So langsam wurde es Zeit für mich, in die Bibliothèque
Nationale zu gehen. Ich verabschiedete mich von meinem alleswissenden und —
schluckenden Freund.
Nachdem ich einige frühere Ausgaben von
Zeitungen durchgeblättert hatte, sah ich mich in meiner Meinung bestätigt, daß
Journalisten komische Vögel sind. Ihre Psyche ist kompliziert, eine seltsame
Mischung aus Unverfrorenheit und Feingefühl. Einer schrieb einerseits über den
Paris-Besuch des neuen Hollywoodstars Conchita Moralés, die alle anderen
Sternchen der Filmwelt in den Schatten stellte in Bezug auf Überspanntheit,
Sex-Appeal und Skandale. Der Journalist fügte hinzu, nach diesem Besuch der heißblütigen
Conchita sei kein Coup im Chicago-Stil mehr nötig, um dem Alltag den nötigen
Pfeffer zu verleihen. Und andererseits besaß derselbe Mann die nötige Portion
Takt, um mit Bartons Witwe ein Interview führen zu können!
Denn — und das interessierte mich sehr viel mehr
als die Farbe des Büstenhalters von Conchita Moralés — Barton war verheiratet
gewesen!
Die Zeitung veröffentlichte ein Foto seiner
Frau. Leider eine schlechte Aufnahme. Im Artikel war von einer dunkelhaarigen
jungen Frau mit dem Vornamen Jeanne die Rede. Kurz vor dem Goldraub war sie
schwerkrank gewesen. Jetzt, da sie von dem schändlichen Verrat ihres Mannes
gehört hatte, drohte ein Rückfall. Sie hatte von Bartons krimineller Energie
nichts gewußt. Die Polizei zweifelte nicht an ihrer Ahnungslosigkeit. In der
Presse war es um die Frau nach und nach still geworden.
Dieselbe Stille herrschte um den Besitzer eines
der gestohlenen Fluchtautos. Lediglich der Crépu, wie immer bestens
informiert, erwähnte seinen Namen einmal: Bousquet, Architekt,
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