Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
anrufen.«
Glomser
holte sein Handy, schaltete es ein und rief Haslinger an. »Er hebt nicht ab«, gab
er nach einigen Augenblicken Auskunft.
»Wir könnten
es am Festnetz probieren«, schlug Korber vor.
»Die Nummer
habe ich nicht«, sagte Glomser achselzuckend.
»Sie liegt
im Klassenkatalog auf. Ich muss nur hinüber ins Konferenzzimmer, dann habe ich sie
gleich«, meinte Korber.
»Ach was,
gleich. Und während Sie suchen, geht der Erste aufs Klo, der Zweite rauchen und
der Dritte frische Luft schnappen, oder wie?« Walters war am Höhepunkt seiner üblen
Laune angelangt. »Nicht mit mir, meine Herrschaften. Wenn es schon bei der künstlerischen
Arbeit Probleme gibt, dann sollte wenigstens sonst alles klappen. Ich sehe mich
gezwungen, die Probe abzubrechen und morgen fortzufahren – allerdings ohne diesen
Toni Haslinger. Der kann das Theaterspielen vergessen. Eine solche Undiszipliniertheit
dulde ich nicht!«
»Es wird
sicher einen Grund für seine Abwesenheit geben«, versuchte Korber einzulenken.
»Natürlich!
Einen Grund gibt es ja immer. Aufgrund der Umstände nehme ich allerdings nicht an,
dass es sich um ein Begräbnis, eine Hochzeit, eine Taufe oder Ähnliches handelt.
Ich vermute vielmehr, dass es der häufigste Grund ist, warum ein Schüler fehlt.
Stageln hat man es zu unserer Zeit genannt. Daran hat sich, glaube ich, nichts geändert.«
»Und wenn
er einen Unfall gehabt hat?«
»Dann erfahren
wir es ja rechtzeitig. Wir würden in diesem Fall jedoch auf den jungen Mann in nächster
Zeit ohnehin nicht zählen können.« Walters hatte bereits die Türschnalle in der
Hand. »Schauen Sie sich um einen talentierten Ersatz um, ein bisschen Zeit haben
wir schließlich noch. Wir müssen ja auch noch einen Einbrecher für die letzte Szene
organisieren. Morgen um fünf bitte alle zur Probe erscheinen. Die Betonung liegt
auf alle , es gilt also auch für diejenigen, die morgen keinen Auftritt haben.
Wir dürfen jetzt auf keinen Fall diverse Laxheiten einreißen lassen. Glomser, bitte
umgehend alle von dieser Änderung in Kenntnis setzen. Ich erwarte außerdem
die höchstmögliche Konzentration. Der Christopherl wird einstweilen hineingelesen.«
Damit verschwand er nach draußen und hinterließ nur dicke Luft.
»Dem gehört
doch …« Sonja Friedl war die Erste, die versuchte, ihrem Ärger Luft zu machen.
»Jetzt beruhige
dich einmal. Vielleicht meint er es nicht so«, sagte Pribil.
»Sicher
meint er es so!« – »Er kann doch jetzt nicht auf einmal den Toni ausschließen.«
– »Ein Regisseur kann alles, wenn er will.« – »Eine Sauerei ist das!« – »Na, und
was willst du dagegen machen?« Die Stimmen gingen mit einem Mal kunterbunt durcheinander.
Da öffnete
sich die Türe, und mit einer gewissen Verwunderung über die allgemeine Lage trat
Toni Haslinger ein. Obwohl bereits hochaufgeschossen, nahm man ihm den heranwachsenden
Jugendlichen noch nicht ab. Er wirkte eher wie ein aus allen Fugen geratenes Kind,
wenn er so wie jetzt mitten in eine Szene platzte. »Was ist denn los?«, fragte er.
»War mein Auftritt schon dran?«
»Dein Auftritt?
Du wirst keinen mehr haben, fürchte ich. Herr Walters hat dich hinausgeschmissen«,
informierte Glomser ihn aufgeregt.
»Warum konntest
du denn nicht pünktlich sein?«, erkundigte sich Pribil.
Toni starrte
nur einmal kurz zu Boden. Es war die Haltung eines Schülers, der alle Hoffnung in
eine Prüfung setzt und am Schluss vom Lehrer mitgeteilt bekommt, dass er die Erfordernisse
nicht erfüllt hat. Mühsam rang er nach Worten. »Ich habe keine Uhr mit. Auf mein
Handy hab ich nicht geschaut. Deswegen kann er mich doch nicht rauswerfen. Das darf
nicht wahr sein! So eine Scheißfigur«, entfuhr es ihm schließlich.
»Er war
heute überhaupt nicht gut drauf«, versuchte Korber, besänftigend auf ihn einzuwirken.
»Vielleicht sieht morgen schon wieder alles anders aus. Wir haben versucht, dich
anzurufen, aber du hast dich nicht gemeldet.
Toni nahm
sein Handy heraus. »Ist ja klar«, stellte er fest. »Auf lautlos gestellt. Aber das
kann’s doch nicht gewesen sein, bitte! Dieser Vollkoffer!«
Langsam
stellte sich nun auch Stössl, der noch immer in seinem Textbuch geblättert hatte,
dazu. »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben«, bemerkte er mit erhobenem Zeigefinger.
»Stössl!!!«,
riefen alle wie aus einem Mund und erhoben drohend die Faust.
*
Bei Schauspielern handelte es sich
um einen Menschenschlag, der Leopold von Grund auf
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