Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
aufgefallen, dass er Alkohol bestellt
hatte.
»Und wer
soll jetzt bitte seine Rolle übernehmen?«, fragte Ilona Patzak. »Das ist ja schließlich
keine Kleinigkeit.«
»Wir haben
Schüler, die als Ersatz bereitstehen und ihren Text ebenfalls hätten lernen sollen«,
gab Korber Auskunft. »Aber erfahrungsgemäß tun das Ersatzleute nur äußerst ungern.
Ich befürchte, das wird nicht funktionieren. Der nächste Konflikt ist also vorprogrammiert.«
»Schuld
ist doch nicht der Toni, schuld ist dieser komische Walters«, meldete sich jetzt
wieder Sonja Friedl zu Wort. »Er hat einfach nicht das richtige Einfühlungsvermögen.
Wir sind nun einmal Amateure, keine Profis. Wie ist es denn eigentlich hergegangen,
dass er unser Regisseur wurde?«
»Mich wollte
man ja nicht mehr«, erläuterte Freddie Glomser nicht ohne Sarkasmus.
»Es ging
nicht gegen dich, Freddie«, beteuerte Korber. »Unser Direktor wollte es heuer einfach
mit einem Profiregisseur versuchen. Von mir aus hättest du noch 100 Jahre lang die
Spielleitung innehaben können.«
»Danke für
die Blumen! Nun, ich bin über diese Entscheidung mittlerweile leidlich froh. Die
Regiearbeit ist zusammen mit dem Spielen in den letzten Jahren immer anstrengender
geworden. Ein wenig Regieassistenz genügt auch.«
»Schön und
gut, aber weshalb müssen wir uns ausgerechnet mit diesem Herrn Walters abg’frettn?
Wer ist für seine Wahl verantwortlich?«, beharrte Sonja Friedl.
»Da ich
die meisten Kontakte zu Leuten vom Theater habe, hat man natürlich mich gebeten,
mich ein wenig umzuschauen«, erklärte Glomser. »Den Tipp habe ich dann vom Erich
Wondratschek bekommen. Der Wondratschek kennt sich aus, er ist eine der besten Quellen.
Der Name Walters ist mir selbst ja noch aus den 80er Jahren ein Begriff. Walters
führte Regie in Sankt Pölten, in der Kleinen Komödie und bei diversen Sommertheateraufführungen.
Spezialist für alle Arten von Volksstücken, natürlich auch für Raimund und Nestroy.
Später hat sich seine Spur verloren, es schien so, als habe er mit dem Theater Schluss
gemacht. Jetzt ist er aber wieder aufgetaucht und hat ein neues Betätigungsfeld
gesucht.«
»Und wer
ist dieser Wondratschek?«
»Einer,
der auf allen möglichen Bühnen herumgelaufen ist. Sein Lebtag hat er nur Nebenrollen
gespielt, die aber mit Freude und Begeisterung, zuletzt im Gloria-Theater hier bei
uns. Der kennt alles und jeden, natürlich auch den Walters. Walters sei mit allen
Wassern gewaschen und für eine solche Aufgabe genau der Richtige, hieß es laut Wondratschek.
Es gehe ihm darum, wieder ein bisschen auf sich aufmerksam zu machen, darum sei
er auch günstig zu haben.«
»Laut Wondratschek«,
ergänzte die Friedl.
»Er ist
jedenfalls schnell mit Direktor Marksteiner einig geworden«, behauptete Glomser.
»Und, Herrschaftszeiten, er arbeitet ja auch gut mit uns. Was er macht, hat Hand
und Fuß. Er bringt gehöriges Tempo in das Stück. Das hätte ich so nicht geschafft.
Er hat halt nur seine Launen, wie jeder Künstler.«
»Er bohrt
Nase, während wir spielen.« – »Für den existieren wir zeitweise gar nicht!« – »Er
ist ein Diktator und nimmt auf niemanden Rücksicht. Er tut nur, was ihm beliebt.«
– »Das mit dem Toni zeigt ja wohl, wie arrogant er ist.« – »Er regt sich auf, dass
er zu spät kommt, dabei ist er selber immer unpünktlich.« Die Wortmeldungen gingen
jetzt wild durcheinander, jeder machte seiner Verärgerung Luft.
»Meiner
Schwester und mir schaut er sowieso nur auf die Brust«, meldete sich Elfriede Bachmann
zu Wort. »Ich bin schon gespannt, wie tief der Ausschnitt von unseren Kostümen sein
wird.«
»Er schaut
nur auf das, was ihr allzu deutlich vor seinen Augen herumtanzen lasst«, maulte
Anette Riedl. »Immer ohne BH in diesen engen T-Shirts!«
»Das ist
der Neid der Besitzlosen. Bring uns nicht in Rage, Kleine«, fuhr Simone Bachmann
sie an.
»Denn das
schickt sich nicht«, ergänzte ihre Schwester Elfriede mit dem für die von Anette
dargestellten Marie charakteristischen Satz, der sich als ›Running Gag‹ durch das
Stück zog.
»Kommt,
Kinder! Streitet nicht! Überlegt lieber, was wir in dieser Situation tun können«,
mahnte Peter Pribil.
»Wir müssen
durchsetzen, dass der Toni spielt!« – »Aber wie?« – »So leicht nimmt der Walters
seinen Entschluss nicht zurück, sonst blamiert er sich ja!« – »Dann müssen wir ihn
eben dazu zwingen!« Wieder platzte jeder unkontrolliert mit seiner Meinung heraus.
»Ich
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